Magische Zeiten - Ploetzlich verzaubert
mit unseren Namen darauf (immer noch unheimlich!) aus dem Kästchen, zog ein zweifach gefaltetes Papier heraus und hielt es vor unsere Nasen.
Das Leben zerrinnt durch meine Finger, sprachlos und kalt im Winde bin ich verloren im ewigen Kreis der Zeit. Euch Mädchen habe ich gewählt, um die drei Ringe ihr Werk tun zu lassen. Doch, habt Acht! Ein Blick in die Zeiten kann Stürme entfesseln. Verweilt nie lange im Gestern und Heute und Morgen, seid achtsam und haltet zusammen im Dreierbund. Ihr Mädchen, seid füreinander unschätzbar wertvoll, bündelt eure Kräfte durch alle Zeiten und Räume hindurch. Dann wird es euch gelingen, das Gespinst der drei Moiren, der Töchter des Zeus, zu verändern und Atropos’ Bann zu zerschlagen, der mich bindet. Damit endlich süßen Frieden ich finde und die Schmetterlinge wieder fliegen.
Elsa LeMarr, Juni 1962
»Wie jetzt?«, fragte Suse.
»Keinen Schimmer.«
»Wieso schreibt sie nicht einfach, was sie uns sagen will?« Ich las den Brief noch einmal, aber das half mir auch nicht weiter. Ich faltete den Brief wieder zusammen, dann ließen wir uns nebeneinander auf den Rücken fallen und starrten an die Decke.
»Wahrscheinlich war die Alte nicht ganz dicht«, sagte Suse. »Oder warum schreibt sie von drei Ringen? Und Dreierbund und so einem Quatsch? Die meint doch wohl nicht Opa, oder?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Aber dass sie damals schon unsere Namen gewusst hat, das ist echt unheimlich. Bestimmt hat sie mit dem Ring in die Zukunft gesehen und so von uns erfahren.« Das war die einzige Erklärung, auf die ich kam, und die war so beunruhigend, dass ich lieber nicht länger darüber nachdachte.
Suse wohl auch nicht, denn sie rief auf einmal: »Was kommt am Donnerstag in der Geschichtsarbeit dran?«
»Weiß ich doch nicht.«
»Mensch, dann schau eben nach!«
»Hey, so leicht ist das nicht!« Ich pustete mir ein paar Haare aus der Stirn. »Es ist ganz schön anstrengend, sich da immer in die Zukunft zu beamen. Oder was immer ich da tue.« Ich fand es hier auf dem Boden gerade ziemlich gemütlich. »Ich glaub, ich bleibe hier liegen, bis meine Party losgeht.«
Schon war Suse auf den Beinen. »Oh Mann, das hätte ich ja beinahe vergessen. Ich muss noch meine Haare machen.« Sie nahm mit beiden Händen jeweils eine lange Strähne zwischen Daumen und Zeigefinger und zog sie in die Höhe. »Die sehen schrecklich aus.«
Ihre Haare sehen nie schrecklich aus. Selbst nach einer zehntägigen Wüstenwanderung ohne einen Tropfen Wasser wäre ihr Haar noch immer deluxe ©. Sie hat die lockigsten Locken, die man sich vorstellen kann. Die springen nach allen Seiten und glänzen. Manchmal verbringt sie Stunden mit ihrem Glätteisen vor dem Spiegel. Das hält aber nie lange. Zum Glück.
Notiz an mich selbst: Versuchen, die Gummibärchen unauffällig unter die Partygäste zu bringen.
5. Kapitel
Um sechzehn Uhr ging die Geburtstagsparty los. Eingeladen waren natürlich Tom, unsere Freundinnen Alenya, Rosalie und Gloria, außerdem Lea und Fritzi aus unserer Klasse und, wie ich vorhin erfahren hatte, Heiko.
Dazu kamen noch Opa, Tante Jenny, Suses Bruder (und somit mein Cousin) Greg und meine Eltern mit Laila, die alle an einem Extratisch in der Nähe des Grills saßen. Ich fand mich viel zu alt, um mit Eltern-Opa-Tante und so weiter zu feiern, hatte sie davon aber nicht abbringen können. Zum Glück ist unser Garten groß und
verwinkelt – man kann sich da gut aus dem Weg gehen. Die Regenwolken hatten sich verzogen, ein sanfter Wind ließ die Girlanden an unserem Birnbaum tanzen. Ich trug Jeans, ein neongrünes Top und hatte zur Feier des Tages etwas Wimperntusche aufgelegt und zum ersten Mal die Wimpernzange ausprobiert, die mir Suse geschenkt hatte.
»Mensch, wie siehst du denn heute aus?«, fragte mich Greg, der gerade Würstchen auf den Grill schmiss. Er musterte mich von Kopf bis Fuß und schüttelte den Kopf.
»Na, zum Glück nicht so wie du.« Ich ging an ihm vorbei. Greg geht mir meistens ziemlich auf die Nerven. Er ist zwei Jahre älter als wir, kommt sich aber zehn Jahre schlauer vor. In Wahrheit ist er eine lange, dürre Nervensäge mit strähnigem Haar und Pickeln auf der Stirn. Eines kann er allerdings wirklich gut, nämlich acht von seinen zehn Fingern bis zum Geht-nicht-mehr nach hinten biegen. Ich weiß nicht genau, wofür man so was braucht, vermutlich für die Ballerspiele, mit denen er meistens in seinem Zimmer beschäftigt ist.
Auf einem Tisch neben der
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