Magische Zeiten - Ploetzlich verzaubert
packte ihre Sachen in den Rucksack und ging, sagte nur kurz Tschüss und weg war sie. Da hatte ich einen dicken Klumpen im Hals und ließ mir viel Zeit damit, meinen eigenen Kram einzupacken. Marli fing mich vor der Klassentür ab. Am liebsten wäre ich an ihr vorbeigegangen, doch sie stellte sich mir in den Weg. »Luna, können wir mal reden?«
»Wüsste nicht, worüber.« Ich schulterte meinen Rucksack. »Oder, warte, doch. Es tut mir leid, dass ich dich verdächtigt habe. Wegen der Eintrittskarten und so weiter. Reicht das?«
Marli betrachtete mich prüfend, blies sich dann ihre Tolle aus der Stirn und zuckte mit den Schultern. »Ich schätze, schon.«
»Super. Und Tschüss.«
Ich schob sie zur Seite und wollte nur noch nach Hause. Mich im Baumhaus verkriechen oder mit Opa eine Runde Musik machen. Er hat – obwohl er steinalt ist – echt ein paar gute Stücke drauf und manchmal rappe ich dazu, was mir gerade in den Sinn kommt. Hinterher geht es mir immer besser als vorher. Ich konnte nur hoffen, dass er zu Hause war und nicht mit irgendeiner Omi rummachte.
Und dann, als ich gerade mein Fahrrad aus dem Hof schieben wollte, sprang Matthias von der Schulmauer und schlenderte auf mich zu. Der hatte mir gerade noch gefehlt.
»Hey Luna«, rief er, kam ganz nah an mich heran und blies mir den Rauch seiner Zigarette ins Gesicht. Ich wedelte ihn mit der Hand weg. »Hast du dir Gedanken gemacht?«
»Häh? Was willst du denn schon wieder von mir?«, fragte ich.
Er verzog verächtlich die Lippen. »Dass du mit dem Rap-Scheiß aufhörst. Frauenrap ist total arm. Frauen gehören in die Küche und sollen Kinder erziehen.«
Unglaublich. »Und Männer müssen durch die Wälder streifen und Wild erlegen. Mann, ist dir heute Morgen beim Aufstehen zufällig das Gehirn rausgefallen?«
Oh, jetzt durchbohrte er mich mit seinem Blick. »Hör mal gut zu, du Winzling. Ich meine es ernst.« Er stand so nah vor mir, dass meine Nase fast an sein Brustbein stieß. Er war mindestens zwei Köpfe größer als ich, vielleicht drei. »Geh nach Hause. Schreib Liebesbriefe an… Justin Bieber oder so was.«
JUSTIN BIEBER. So langsam war das Maß echt voll. »Geh mir nicht auf den Geist«, forderte ich ihn auf, hatte aber das Gefühl, nicht so richtig überzeugend zu klingen.
Jetzt wünschte ich inständig, Suses spitze Stiefel anzuhaben, um ihm richtig auf die Quadratlatschen zu treten, aber wieder einmal trug ich nur Flipflops. Auch noch welche mit Blümchen. Trotzdem hob ich gerade den Fuß, als Matthias mich mit der Schulter anrempelte. Ich wankte nach hinten. Einige Schüler schauten verstohlen zu uns herüber. Drohend ragte Matthias über mir auf, zog noch einmal an seiner Zigarette und ließ sie dann neben mir fallen. »Hast du das jetzt kapiert?«
»He, Schwachkopf«, hörte ich eine Stimme rufen. Und dann kam Marli in einem Höllentempo aus dem Schulgebäude auf uns zugerannt. Sie hechtete über die Schulmauer und den dahinter angebrachten Mülleimer, landete in der Hocke, kam elegant hoch und baute sich vor ihm auf. Muss schon zugeben, dass sie da einen Riesenauftritt hinlegte. Wie Lara Croft und so weiter, eigentlich fehlten nur die zwei Pistolen. »Du hältst jetzt mal schön den Rand, kapiert?«
Nach vorn gebeugt, die Knie leicht eingeknickt, umkreisten sie sich wie zwei Ringer.
»Was willst ’n du Ami-Schnepfe jetzt?«, fragte er.
»Ich will, dass du Luna in Ruhe lässt. Und zwar ab sofort und für immer. Ganz einfach. Dann lass ich dir die Ami-Schnepfe noch mal durchgehen.«
Matthias grinste geringschätzig.
Und schlagartig schien die Luft stillzustehen. Es kam mir ein wenig so vor, als hätte ich ein Blackout, als würde ich nichts denken oder sehen oder fühlen. Ich stand noch immer da, mindestens zehn Schüler um uns herum und Matthias stierten Marli an. Das schmierige Grinsen war aus seinem Gesicht verschwunden und er hatte eine knallrote Wange, als hätte er gerade eine mächtige Backpfeife bekommen. Man konnte sogar den Abdruck von Fingern auf seiner Haut sehen. Noch verblüffender aber war, dass auf seiner Stirn mit rotem Kuli stand:
I ª JUSTIN BIEBER
Ich glaubte, meinen Augen nicht zu trauen. Wie konnte das denn sein? Ich hatte keine Erklärung dafür, wie all das in Sekundenschnelle vor sich gegangen war, wie Marli es geschafft hatte, Matthias eine zu knallen, einen Kuli aus der Tasche zu ziehen, etwas auf seine Stirn zu schreiben und den Kuli wieder wegzustecken. Ohne dass irgendjemand was davon
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