Magisches Erbe
hat dies schon einmal getan, und da hat es mich unvorbereitet getroffen. Diesmal haben wir aber eine Warnung. Vier weitere Menschen könnten dieses Schicksal erleiden. Wollen Sie das?«
Da war es. Sie hatte den anderen Teil von mir angesprochen, der bereits an mir genagt hatte, weil sie mich zu gut kannte. Ich konnte Unschuldige nicht leiden lassen, nicht einmal, wenn es bedeutete, mich selbst in Gefahr zu bringen oder mich den Ängsten zu stellen, die mich verfolgten. Wenn ich in der Lage war, dies aufzuhalten, dann musste ich es tun. Niemand verdiente das Schicksal des Mädchens in der Zeitung. »Natürlich nicht.«
»Und lassen Sie uns nicht vergessen, dass Sie schon bald selber eines ihrer Opfer sein könnten.«
Ich berührte den Granatstein. »Sie haben gesagt, ich sei versteckt.«
»Das sind Sie auch, für den Moment. Und ich hoffe trotz allem, dass es auch so bleiben wird.« Ich hatte sie noch nie zuvor so grimmig erlebt, und es war richtig schwer hinzusehen. Ich war sie als plappernde, zerstreute und sachliche Person gewohnt. »Aber es gibt da noch etwas. Ich habe Ihnen nie erzählt, wie Magiebenutzer einander spüren können.«
Das hatte ich im Laufe der Jahre gelernt: Es war in keinem Fall gut, wenn Leute sagten: »Es gibt da noch etwas, das ich Ihnen noch nie erzählt habe …« Also wappnete ich mich.
»Untrainierte Magiebenutzer besitzen eine bestimmte Ausstrahlung, die sie von den erfahreneren Anwendern unterscheidet«, erklärte sie. »Die Magie, die sie umgibt, hat etwas Wildes an sich. Sie ist für fortgeschrittene Hexen leicht zu spüren. Mein Zirkel behält Novizen unter den Magiebenutzern im Auge, aber das sind streng gehütete Geheimnisse. Veronica wird zu diesen Namen keinen Zugang haben, doch es gibt Zauber, mit denen sie etwas von dieser ungezähmten Magie wahrnehmen kann, wenn sie in ihrer Nähe ist. So hat sie wahrscheinlich dieses arme Mädchen gefunden.« Ms Terwilliger deutete mit dem Kopf auf den Artikel.
Die Vorstellung, eine »wilde« magische Aura zu haben, war genauso schockierend wie zu erfahren, dass ich Magie im Blut habe.
»Wenn sie ein Opfer aufsaugt«, fuhr Ms Terwilliger fort, »bekommt sie einen Schub von dieser Wildheit. Er geht zwar schnell wieder vorbei, aber solange er wirkt, kann er für kurze Zeit ihre Fähigkeit steigern, ein anderes untrainiertes Opfer zu erkennen. Je mehr Opfer es sind, desto stärker wird diese Fähigkeit werden. Es besteht also die Möglichkeit«, fügte Ms Terwilliger ernst hinzu, »dass sie ausreichen könnte, um den Granatstein zu zerbrechen. Ich weiß es nicht.« Sie breitete die Hände aus.
»Sie sagen also … dass die Wahrscheinlichkeit, dass sie mich finden wird, mit jedem Opfer wächst, das sie angreift.«
»Ja.«
»Gut. Ich werde Ihnen helfen, sie zu jagen.« Ich schob all meine Ängste und Zweifel beiseite. Das Risiko war zu groß. Mein Leben, die anderen Mädchen … Veronica musste um unser aller willen aufgehalten werden. Jemand wie sie durfte nicht so weitermachen.
»Da ist noch etwas«, sprach Ms Terwilliger weiter.
Ach, wirklich?
»Mehr als die Jagd auf eine böse Hexe, die von meinem Leben und meiner Macht zehren will?«
»Wenn wir Veronica daran hindern können, andere, weniger mächtige Opfer zu finden, schränken wir zugleich ihre Fähigkeit ein, Sie zu finden.« Sie förderte einen kleinen Samtbeutel zutage und leerte ihn auf dem Tisch aus. Mehrere kleine Achatscheiben fielen heraus. »Das sind Amulette, die eine gewisse Kraft besitzen, Magie zu verbergen. Zwar nicht so stark wie der Granat – das würde zu lange dauern. Aber sie sind eine schnelle Lösung, die vielleicht einigen der anderen Mädchen das Leben rettet.«
Ich wusste, worauf das hinauslief. »Und Sie wollen, dass ich sie den Mädchen bringe.«
»Es tut mir leid. Ich weiß, dass ich Ihnen damit einige sehr schwierige Aufgaben gebe.«
Das Ganze wurde immer schlimmer. »Schwierig? Das ist noch eine Untertreibung. Und abgesehen von der Tatsache, dass ich eine Frau finden soll, die mir das Leben aussaugen könnte, ist da auch noch die klitzekleine Kleinigkeit, dass die Alchemisten ausflippen würden, wenn sie wüssten, dass ich mit dieser Sache zu tun habe.«
Ms Terwilliger antwortete nicht sofort. Sie beobachtete mich nur. Eine schwarze Katze sprang neben sie und starrte mich ebenfalls an. Ihr gelbäugiger Blick schien zu sagen: Tu das Richtige.
»Wo fange ich an?«, fragte ich schließlich. »Dieses Wohnviertel zu finden gehört doch auch dazu,
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