Magisches Erbe
er irgendwie von Veronica erfahren? Ich versuchte, cool zu bleiben. »Wie kommst du darauf?«
»Hab nur Spaß gemacht«, sagte er. »Ich habe sie jetzt das zweite Jahr im Unterricht, und sie hat noch nie einen Tag gefehlt.« Er warf mir einen verwirrten Blick zu. »Außer du weißt wirklich etwas, das ich nicht weiß?«
»Nein«, antwortete ich hastig. »Ich bin genauso überrascht wie du.«
Trey musterte mich einige Sekunden lang. Wir waren gute Freunde hier an der Amberwood, und es gab nur ein klitzekleines Problemchen zwischen uns.
Seine Familie war mit den Kriegern des Lichts verbunden.
Im letzten Monat hatten die Krieger versucht, Sonya in einem barbarischen Exekutionsritual zu töten. Trey war einer der Kandidaten für die »Ehre« gewesen, sie umzubringen, obwohl er den Wettkampf in letzter Minute hingeschmissen hatte. Ich hatte versucht, an die Krieger zu appellieren, Sonya freizulassen, aber sie hatten nicht auf mich gehört. Sie und ich waren beide gerettet worden, als ein Überfallkommando von Dhampiren aufgetaucht war und die Krieger besiegt hatte. Stanton hatte geholfen, diesen Überfall zu leiten – hatte sich aber nicht die Mühe gemacht, mich darüber aufzuklären, dass ich selbst als Ablenkungsmanöver benutzt werden sollte. Das gehörte zu den Gründen, warum ich ihr und den Alchemisten gegenüber misstrauisch geworden war.
Man hatte Trey die Schuld daran gegeben, dass er mich in das Ritual einbezogen hatte, und die Krieger hatten ihn und seinen Vater ausgestoßen. So wie ich von den Alchemisten unter Druck gesetzt worden war, hatte man Trey sein Leben lang die Kriegerdoktrin eingetrichtert. Sein Vater hatte sich so über das Ganze geschämt, dass er jetzt kaum noch mit Trey sprach. Ich wusste, wie sehr sich Trey nach der Anerkennung seines Vaters sehnte, daher war dieses Schweigen für ihn quälender als die Art, wie die Krieger mit ihnen umgingen.
Unsere Gefolgschaften machten die Dinge schwierig. Als ich Trey gegenüber einmal angedeutet hatte, dass immer noch unausgesprochene Probleme zwischen uns stünden, hatte er mit einem bitteren Lachen reagiert. »Du hast keinen Grund mehr zur Sorge«, hatte er mir erklärt. »Ich verberge keine geheimen Pläne vor dir – weil ich keine kenne. Sie reden gar nicht mit uns. Soweit es sie betrifft, gehöre ich nicht mehr dazu. Ich bin für immer verbannt worden, und ein Wunder müsste geschehen, damit sie uns wieder aufnehmen.« Etwas in seinen dunklen Augen hatte mir gesagt, dass er sich auf dieses Wunder stürzen würde, falls er es jemals finden sollte. Ich hatte versucht, ihn danach zu fragen, aber er wollte nicht weiter darüber sprechen. »Ich möchte dein Freund sein, Melbourne«, hatte er gesagt. »Ich mag dich. Wir werden unsere Differenzen nie beilegen. Dann können wir sie doch genauso gut auch ignorieren, da wir jeden Tag zusammen sein müssen.«
Erstaunlicherweise hatte unsere Freundschaft das ganze Drama tatsächlich überlebt. Die Spannung war immer da und lauerte zwischen uns, aber wir versuchten von nun an, sie zu ignorieren. Obwohl er von meiner Verbindung zur Vampirwelt wusste, hatte er natürlich keine Ahnung, dass ich hinter den Kulissen Magieunterricht bei unserer Geschichtslehrerin nahm.
Wenn er dachte, ich hätte heute in Bezug auf Ms Terwilligers Abwesenheit gelogen, so stellte er deswegen jedenfalls keine weiteren Fragen. Er deutete mit dem Kopf auf die Vertretung. »Das wird heute ein unnötiger Tag.«
Ich riss mich von den magischen Plänen los. Nachdem ich den größten Teil meines Lebens Privatunterricht gehabt hatte, waren mir einige Teile der »normalen« Schulwelt immer noch ein Rätsel. »Wie meinst du das?«
»Es gibt keinen richtigen Unterricht. Normalerweise lassen Lehrer ihrer Vertretung einen Unterrichtsplan da und sagen ihr, was sie machen soll. Ich habe den Plan von Ms Terwilliger gesehen. Darauf stand aber bloß: ›Lenken Sie sie ab‹.« Trey schüttelte in gespieltem Mitgefühl den Kopf. »Ich hoffe, du kannst die verschwendete Lernzeit verkraften. Ich meine, sie wird wahrscheinlich so etwas sagen wie: ›Macht eure Hausaufgaben‹. Das wird aber keiner tun.«
Er hatte recht. Ich war mir keineswegs sicher, ob ich damit umgehen konnte. »Warum denn nicht?«
Das schien ihn sehr zu amüsieren. »Melbourne, manchmal bist du der einzige Grund, warum ich überhaupt in den Unterricht komme. Ich habe übrigens ihren Vertretungsplan für deinen Spezialkurs gesehen. Darauf stand, dass du nicht einmal anwesend
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