Magisches Erbe
widernatürlicher Magie hatte keinen Platz in dieser Welt. Ihre nächsten Worte machten unmissverständlich klar, wie falsch das alles war. »Oder, in ihrem Fall, andere dafür zu opfern.«
Opfer. Das bloße Wort schien die Luft zu vergiften. Ms Terwilliger stand auf und ging an ein Regal, aus dem sie einen Zeitungsausschnitt nahm. Wortlos reichte sie ihn mir. Es war ein jüngerer Artikel, vor drei Tagen erst erschienen, und er berichtete von einer neunzehnjährigen UCLA -Studentin, die man in ihrem Wohnheimzimmer im Koma gefunden hatte. Niemand wusste, was es verursacht haben mochte, und das Mädchen lag gegenwärtig im Krankenhaus, ohne einen Hinweis darauf, wann oder ob sie wieder aufwachen würde.
»Was ist das?«, fragte ich und war mir nicht sicher, ob ich die Antwort überhaupt hören wollte.
Ich sah mir den Artikel genauer an. Er enthielt ein Foto. Zuerst wunderte ich mich, dass die Zeitung eine schlafende alte Frau zeigte. Dann, als ich das Kleingedruckte las, erfuhr ich, dass das Komaopfer außerdem einige unerklärte körperliche Symptome aufwies: graue Haarsträhnen und trockene, rissige Haut. Die Ärzte untersuchten sie gegenwärtig auf seltene Krankheiten. Ich wand mich und konnte nicht glauben, was ich da sah. Sie war abstoßend hässlich, und ich ertrug es nicht lange, sie anzusehen.
Und dann verstand ich plötzlich. Veronica opferte Frauen nicht mit Messern auf steinernen Altären. Sie vollführte an diesen Mädchen irgendeine Art von perverser Magie, die die Regeln der Natur verbog und sie in diesen grauenhaften Zustand versetzte. Mein Magen krampfte sich zusammen, und ich hielt mich am Tisch fest.
»Das Mädchen war eins von Veronicas Opfern«, bestätigte Ms Terwilliger. »So bewahrt sie ihre Jugend und Schönheit – indem sie sie anderen wegnimmt. Als ich dies las, dachte ich – hoffte ich beinahe –, dass es ein anderer Magiebenutzer sei. Nicht dass ich es irgendjemandem wünschen würde. Ihr Wahrsagezauber bestätigte mir jedoch, dass sie in der Gegend war, was bedeutet, dass es zu meiner Verantwortung gehört, mich um sie zu kümmern.«
Ich riskierte noch einen Blick auf den Artikel, und wieder stieg Übelkeit in mir auf. Das Mädchen war neunzehn. Wie würde es sein, wenn einem das Leben in einem so jungen Alter ausgesogen wurde? Vielleicht war das Koma sogar ein Segen. Und wie korrupt und verdorben musste man sein, um einem Menschen das anzutun?
Ich wusste nicht, wie Ms Terwilliger sich genau um ihre Schwester »kümmern« wollte, und ich war mir auch nicht sicher, ob ich es überhaupt erfahren wollte. Und doch, wenn Veronica wirklich Unschuldigen so etwas antat, dann musste jemand wie Ms Terwilliger sie aufhalten. Ein magischer Angriff dieser Größenordnung gehörte zum Schrecklichsten, was ich mir vorstellen konnte. Es brachte all meine tief sitzenden Ängste über die Falschheit von Magie zurück. Wie konnte ich es rechtfertigen, sie anzuwenden, wenn sie zu etwas so Grauenvollem in der Lage war? Alte Alchemistenlektionen fielen mir wieder ein: Was die Moroi so gefährlich macht, liegt zum Teil an ihrer Fähigkeit, Magie zu wirken. Niemand sollte in der Lage sein, die Welt auf diese Weise zu verbiegen. Es ist unrecht und kann leicht außer Kontrolle geraten.
Ich kehrte wieder in die Gegenwart zurück. »Wie passe ich da hinein, Ma’am? Ich habe bereits herausgefunden, wo sie ist. Warum bin ich in Gefahr?«
»Sydney«, sagte Ms Terwilliger und betrachtete mich mit einem seltsamen Blick. »Es gibt nur wenige junge Frauen mit Ihren Fähigkeiten. Neben der Jugend und Schönheit will sie ihrem Opfer auch die Magie aussaugen und dazu benutzen, ihre eigene Macht zu vergrößern. Sie, meine Liebe, wären für sie der ultimative Coup.«
»Sie ist wie die Strigoi«, murmelte ich und konnte ein Schaudern nicht unterdrücken. Obwohl diese untoten Vampire sich an jedem laben konnten, bevorzugten sie Moroi, weil sie Magie im Blut hatten. Wenn sie Moroi-Blut tranken, wurden Strigoi mächtiger, und plötzlich traf mich ein beunruhigender Gedanke. »Praktisch ein menschlicher Vampir.«
»Etwas in der Art«, stimmte Ms Terwilliger mir zu. »Dieses Amulett sollte Ihre Macht verbergen, selbst vor jemandem, der so stark ist wie sie. Sie sollte nicht in der Lage sein, Sie zu finden.«
Eine dreifarbige Katze sprang auf den Tisch, und ich strich mit der Hand über ihr glattes Fell und fand Trost in der kurzen Berührung. »Es macht mich ein wenig nervös, dass Sie immer wieder ›sollte‹ sagen.
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