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Magisches Spiel

Magisches Spiel

Titel: Magisches Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Feehan
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alt war. Mein Vater war Rauschgifthändler, und jemand anderes wollte sein Gebiet übernehmen. Sie sind in unser Haus eingebrochen und haben zuerst meine Schwester erschossen. Sie saß im Wohnzimmer vor dem Fernseher. Sie war erst zwölf und sehr klein. Ich hätte nicht gedacht, dass der Körper eines Kindes so viel Blut enthalten könnte.
    Tansy schloss die Augen. Sie wollte das nicht hören. Sie wollte ihn nicht als einen Menschen sehen. Sie hatte zu viele Tatorte von Verbrechen aufgesucht, wo das Blut in Strömen floss.
    Dad hat mich gepackt und mich unter die Bodendielen gezwängt, als er das Gewehr herausgeholt hat, das dort versteckt war. Ich konnte sie alle schreien hören. Und durch die Ritzen begann das Blut zu tropfen. Es hat sich um mich herum gesammelt, bis ich damit bedeckt war. Bis es zwei Zentimeter tief um mich stand und ich es eingeatmet habe. Weißt du, wie das riecht, Tansy?
    Sie wusste es. Sie hatte heute noch Alpträume. Sie presste sich eine Hand auf den Mund, um nicht zu schluchzen. Er musste aufhören. Die Bilder in seinem Kopf waren so lebendig, als sei das Verbrechen eben erst begangen worden. Seine Stimme war kalt und leidenschaftslos und verriet keinerlei Gefühl, doch sie war in seinem Kopf, und dort fand sie Wut und Schmerz und einen Kummer, der zu tief war, um ihn in Worten auszudrücken. Sie nahm diese unbändigen Gefühle so deutlich wahr, dass Tränen in ihrer Kehle aufstiegen und sie zu ersticken drohten.
    Komm zu mir zurück. Ich brauche dich heute Nacht, du musst jetzt zu mir kommen.
    Der Sog dieser Forderung war so stark, dass sie sich
herumrollte, aufstand und in die Richtung ihres Lagers sah. Sie machte sogar ein paar Schritte, bevor es ihr gelang, sich davon abzuhalten. Sie konnte die Entfernung zwischen sich selbst und ihm nicht vergrößern, aber sie rannte auch nicht auf ihn zu, obwohl ihr Geist und ihr Körper sie dazu drängten.
    Die Sache ist die, dass ich jetzt, als Erwachsener, begreife, dass mein Vater kein anständiger Kerl war. Er hat im großen Stil mit Rauschgift gehandelt und hatte mit sehr schlechten Menschen zu tun, aber für mich war er mein Vater. Er hat mit mir gespielt und mich geliebt und mich abends ins Bett gebracht. Vielleicht kann ich mir als Erwachsener sogar eingestehen, dass er für das Blutbad verantwortlich war, das über seine Familie hereingebrochen ist, aber das Kind in mir hat ihn geliebt. Es hat ihn immer wirklich geliebt und zu ihm aufgeblickt. Ich brauche dich, Tansy. Komm jetzt zu mir zurück, und bleib heute Nacht bei mir.
    Sie schloss die Augen und fühlte sich elend. Seine Stimme machte sie ganz heiß, doch von den Dingen, die er sagte, wurde ihr schlecht. Er war allein und fühlte sich verloren. Und die Person in ihr, die das tiefe Bedürfnis verspürte, die Welt zu einem besseren Ort zu machen, diese Person, deren Empathie und Mitgefühl so groß waren, dass sie andere Menschen nicht einmal berühren konnte, zwang sie angesichts des unverhohlenen Kummers in seiner Stimme in die Knie.
    Ich habe Schreie und Schüsse und die Stimme meiner Mutter gehört, die flehte, sie sollten meinen Bruder nicht töten. Er hieß James, und er war erst zehn Jahre alt. Wir haben ein Zimmer miteinander geteilt, und er hat mir das Ballspielen beigebracht. Ihn hat es nie gestört, wenn ich mich an ihn gehängt habe und ihm auf Schritt und Tritt gefolgt bin.
    Sie war erstaunt über die kalte Stimme, mit der er ein so
furchtbares Kindheitsdrama berichtete. Vielleicht glaubte er, er hätte diese ganze Geschichte so tief begraben, dass er sie erzählen konnte, ohne etwas dabei zu empfinden, doch sie wusste, dass es nicht so war. Die Wut in seinem Innern war beängstigend, der Kummer verheerend. Tansy stellte fest, dass sie den Hang zu ihrem Lager langsam wieder hinaufstieg. Sie packte den Stamm eines Schösslings und hielt sich daran fest, um zu verhindern, dass sie zu ihm eilte, um ihn zu trösten. Jetzt hatten seine Befehle eine ganz andere Bedeutung erhalten. Er brauchte sie tatsächlich, ob er es wusste oder nicht – und sie hatte den Verdacht, er wüsste es ebenso wenig, wie er wusste, dass er immer noch dieses aufgebrachte, erschütterte, am Boden zerstörte Kind war.
    Komm zurück zu mir. Die Sterne sind aufgegangen. Siehst du sie? Ich hätte nie gedacht, dass ich sie noch einmal sehen würde. Als ich unter den Bodendielen eingezwängt war und das Blut auf mich getropft ist und um mich herum eine Pfütze gebildet hat, hätte ich niemals geglaubt, dass

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