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Magma

Magma

Titel: Magma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Aufschwingen der Safetür. Als sie dann endlich ins Innere des Panzerschrankes griff und ein kleines abgewetztes Buch sowie einen Umschlag herausholte, hielt es Ella nicht mehr auf ihrem Sitzplatz.
    »Was ist das?«, fragte sie und deutete auf das lederbeschlagene Büchlein.
    »Ich glaube, ich erwähnte es bei unserem ersten Treffen.« Helène schob es ihr über den Tisch. »Dies ist das Tagebuch des Professor Mondari. Bitte bedienen Sie sich, aber seien Sie vorsichtig, es ist sehr schlecht gebunden.«
    Mit zitternden Fingern griff Ella danach und begann darin zu blättern. Die Schrift war von außerordentlicher Präzision, die Wörter akkurat auf Zeile geschrieben, die Buchstaben in ebenmäßigem Winkel gegeneinandergelehnt. Die Schrift eines Perfektionisten. Da es Italienisch war, konnte sie wenig über den Inhalt sagen. Nur die Zeichnungen fielen ihr auf. Geologische Schnitte, Ansichten von Landschaften, Skizzen von Versteinerungen. Wunderbare kleine Kunstwerke von markanter Schönheit. Der Professor war anscheinend nicht nur ein Perfektionist gewesen, sondern auch ein Ästhet. Auffallend war auch, dass sowohl die vordersten als auch die hintersten Seiten des Büchleins verkohlt waren, als habe es kurze Zeit im Feuer gelegen. Ella hob den Kopf. »Haben Sie es übersetzen lassen?«
    »Natürlich. Ich kann Ihnen gern eine Abschrift auf Ihr Zimmer bringen lassen. Ich muss Sie aber warnen. Das meiste davon ist ausgesprochen trocken. Höchstens interessant für Paläontologen und Artenkundler. Wirklich spannend ist allein der letzte Teil, der sich mit dem Auffinden der Kugel befasst.«
    »Ich bin beeindruckt«, sagte Ella, blätterte noch ein wenig darin herum und legte das Büchlein dann vorsichtig zurück auf den Tisch. »Ich verstehe aber immer noch nicht, was dieses Buch mit Konrad Martin zu tun hat.«
    »Das liegt daran, dass Sie sich diese Fotos noch nicht angesehen haben.« Mit einer feierlichen Geste öffnete Madame Kowarski den Umschlag. Sie entnahm ihm etwa zehn Fotografien, die sie vor Ella ausbreitete. Es handelte sich um Schwarzweißaufnahmen in unterschiedlichen Formaten und von unterschiedlicher Qualität. Der überwiegende Teil waren Gruppenfotos, doch es gab auch die eine oder andere Einzelaufnahme. Ein Bild nahm Ella besonders gefangen. Es war eine Porträtfotografie.
    »Das ist doch …« Sie nahm das Foto hoch und hielt es sich ganz dicht ans Auge. »Von wann, sagten Sie, sind diese Aufnahmen?«
    »Dieses hier ist datiert auf den einundzwanzigsten Achten neunzehnhundertfünfundvierzig. Kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges.«
    Ella konnte nicht glauben, was sie da sah. Das Bild zeigte Konrad Martin. Er trug ein schlecht sitzendes Jackett, eine schwarz umrandete Nickelbrille und in seinem Mundwinkel steckte eine halb gerauchte Zigarre. Sie ließ das Bild sinken. »Martin?«
    Helène Kowarski schüttelte den Kopf. »Mondari.«
    »Erstaunlich. Die beiden gleichen sich wie eineiige Zwillinge. Wie ist das möglich? Sind sie miteinander verwandt?«
    Die Leiterin des Instituts schüttelte den Kopf. »Mondari war Einzelkind. Er verstarb, ehe er eine eigene Familie gründen konnte.«
    »Vielleicht ist er ein illegitimer Sohn Mondaris. Das Kind einer Liebschaft. Vielleicht hat der italienische Professor selbst nie erfahren, dass er ein Kind hat. So etwas hat es schon oft gegeben.«
    Madame Kowarski goss sich eine Tasse Tee ein. »Ich will Ihnen kurz erzählen, wie ich Konrad Martin kennengelernt habe. Es war 1956 . Kurz zuvor hatte der Vorstand der CERN dem Antrag meines Vaters für den Bau des Kowarski-Instituts zugestimmt. Ich war damals knapp zehn Jahre alt, doch ich erinnere mich daran, als wäre es gestern gewesen. Eines Tages klingelte es an unserer Tür. Ein seltsamer Mann mit starkem italienischem Akzent stand dort und begehrte Einlass. Er beteuerte, dass er besondere Informationen über die seltsame Kugel hätte, die mein Vater ein Jahr zuvor gefunden hatte und die seitdem streng unter Verschluss lag. Allein die Tatsache, dass er von der Kugel wusste, war für meinen Vater Grund genug, ihn hereinzubitten. Ich habe von dem anschließenden Gespräch nicht viel mitbekommen, doch es genügte meinem Vater, um den Mann vom Fleck weg einzustellen. Er bekam eine Personalnummer zugeteilt und trat in die Dienste meines Vaters, als eine Art persönlicher Berater. Dieser Mann, der damals über die Schwelle unseres Hauses trat, nannte sich selbst Konrad Martin. Er besaß keinerlei Ausweispapiere und nichts, was

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