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Magma

Magma

Titel: Magma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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jetzt in ganzer Länge auf dem Metall. Colin spürte die pulsierende Wärme unter sich. So nah war er der Kugel bislang noch nie gekommen. Furcht und Skepsis hatten ihn bisher davon abgehalten. Doch die waren nun wie weggeblasen. Beinahe glaubte er ein lebendes, atmendes Wesen unter sich zu spüren. Er hob den Hammer und ließ ihn niedersausen. Die Vibrationen durchdrangen seinen Kittel, sein Hemd, seine Haut. Sie durchdrangen seine Eingeweide. Noch einmal schlug er zu. Und noch mal. Als der dritte Schlag verhallte, hob er den Kopf und lauschte.
    Es war nichts zu hören. Noch einmal schlug er zu, dann horchte er wieder. Er konnte das Blut in seinen Ohren pulsieren hören, doch das war alles. Merkwürdig. Colin spürte einen Schweißtropfen seine Schläfe hinabrinnen. Was hatte er falsch gemacht? Vielleicht hatte er sich geirrt, was die Auswahl der Stelle betraf. Wenn das der Fall war, dann hatte er jetzt den Verteidigungsmechanismus ausgelöst. Dann befand er sich in höchster Gefahr. Mit zittrigen Fingern strich er über die Kugel. Nein, er schüttelte den Kopf. Er hatte sich nicht geirrt. Ausgeschlossen. Jeder Punkt auf der Oberfläche war so unverwechselbar wie ein Fingerabdruck. Es gab keine zwei Stellen, die identisch waren. Aber was stimmte dann nicht? Hatten die Messungen vielleicht falsche Informationen geliefert? Vielleicht durch Interferenzen? Es genügte ja die kleinste Ungenauigkeit, und schon wurde das ganze Ergebnis verfälscht. Wenn das der Grund war, dann konnte er wieder ganz von vorn anfangen – wenn er dazu überhaupt noch die Gelegenheit bekam. Mit einer Mischung aus Wut und Verzweiflung ließ er ein letztes Mal den Hammer niedersausen. Der Hall durchlief seinen Körper. Als er verebbte, legte Colin das Ohr auf die Kugel und lauschte.
    Mit einem Mal glaubte er in den Tiefen der Sphäre etwas zu hören. Ein dumpfes Dröhnen, das mehr und mehr anschwoll. Er hob den Kopf und vergewisserte sich, dass er nicht den Nachhall seiner Schläge vernahm. Nein, es war eindeutig. Das Geräusch kam aus der Kugel selbst, und es wurde von Sekunde zu Sekunde lauter. Das Metall wurde wärmer.
    Colin stemmte sich hoch und betätigte die Absenkvorrichtung.
    Jetzt hatten auch die anderen bemerkt, dass etwas Ungewöhnliches im Gange war. Helène stand am Glas und gab ihm mit Zeichen zu verstehen, dass er den Zylinder verlassen sollte. Immer wieder deutete sie in Richtung des Überwachungsraumes, wohl ein Zeichen dafür, dass die Messgeräte endlich Ergebnisse lieferten.
    Colin hatte gerade wieder sicheren Boden unter den Füßen, als ein markerschütterndes Pfeifen einsetzte. So gewaltig, wie es begann, so schnell verebbte es auch wieder. An verschiedenen Stellen der Oberfläche bildeten sich Risse und Spalten, die breiter und breiter wurden. Kein Zweifel, die Kugel begann sich zu öffnen. Colin, der während des Pfeifens den unwiderstehlichen Drang zur Flucht verspürt hatte, blieb wie angewurzelt stehen. Mit großen Augen, den Rücken an die Glasscheibe gepresst, stand er da und blickte verwundert auf das ungewöhnliche Schauspiel. Es war, als würde eine riesige Blume ihren Kelch öffnen. Colin sah filigrane Streben, metallene Verflechtungen und runde, knubbelige Gebilde, die das gesamte Innere der Kugel auszufüllen schienen. Hatte er schon auf der Oberfläche das Gefühl gehabt, etwas Lebendiges zu berühren, so war er sich jetzt sicher. Dies konnte keine Maschine sein. Vielmehr hatte es Ähnlichkeit mit einem Samenkorn.
    Colin trat näher. Er konnte nicht anders. Wie magisch wurde er angezogen von dem Rätsel, das noch kein menschliches Auge zuvor erblickt hatte.
    Die Kugel hatte sich mittlerweile vollständig geöffnet. Wie ausgebreitet lag sie vor ihm, bereit, sich von ihm erforschen zu lassen. Colins Blick wurde automatisch ins Innere gelenkt, als habe die Kugel einen eigenen Willen, der genau wusste, wie man die Blicke der Zuschauer auf sich zog. Während er sich näher und näher bewegte, wurde er sich erneut bewusst, wie sehr ihn die ganze Konstruktion an einen Blütenkelch erinnerte. Denn dort, im Zentrum, wo eigentlich der Fruchtknoten hätte sein müssen, schimmerte etwas.
    Etwas Goldenes.

45
    L angsam ließ Elias Weizmann den Hörer auf die Gabel sinken. Sein Arm fühlte sich merkwürdig kraftlos an. Etwas war schiefgelaufen.
Schon wieder
. Es war, als habe sich eine unbekannte Macht gegen ihn verschworen. Die Sache mit Jordan und Martin begann ihm langsam unheimlich zu werden. Fassungslos rief er

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