Magma
sie fertig war, stieß sie einen überraschten Laut aus. Es klang nach einer Mischung aus Erschrecken und Erleichterung. Was immer da auf dem Display stand, für Jan schien es von enormer Bedeutung zu sein.
»Irgendwas Spannendes entdeckt?« Colin reckte neugierig den Hals, um einen Blick auf die Anzeige zu erhaschen.
»Allerdings.« Jan drehte das Gerät so, dass alle es sehen konnten. Eine gezackte Linie war darauf zu erkennen. Mehr nicht. »Der Beweis, dass ich Recht hatte«, sagte Jan. »Und die Bestätigung meiner Theorie. Mann, ich hab schon angefangen, selbst nicht mehr daran zu glauben.«
»Woran zu glauben?« Helène trat näher und inspizierte die Linie genauer. »Erzählen Sie uns davon. Was hat diese Linie zu bedeuten?«
»Aber Dr.Bardolf meinte, ich solle Ihnen nur persönlich davon erzählen.«
Helène winkte ab. »Bardolf ist ein alter Geheimniskrämer. Ich kenne ihn schon seit über zwanzig Jahren und er hat sich seitdem kein bisschen verändert. Glauben Sie mir, jetzt ist der richtige Zeitpunkt für eine Erklärung gekommen.« Sie deutete in die Runde. »Bei uns ist Ihr Geheimnis in guten Händen. Wenn Sie sich uns nicht anvertrauen wollen, wem dann?«
Die Astrophysikerin blickte unsicher hin und her. So ganz überzeugt schien sie immer noch nicht zu sein. Colin kam ihr zu Hilfe. »Ich habe gehört, dass Sie ein spezielles Programm entwickelt haben. Eine Art Dechiffrierungsprogramm, nicht wahr?«
»Hm, ja«, murmelte Jan. Dann stieß sie einen Seufzer aus. »Also gut. Wie Sie vielleicht wissen, waren wir am Tag der Explosion das einzige Teleskop, dass auf Orionis Alpha gerichtet war. Purer Zufall, dass ausgerechnet eine Gruppe von Elsässern an diesem Tag eine Radioabtastung von diesem Stern haben wollte. Wir haben also alles aufgezeichnet, was an Strahlung hereingekommen ist. Sogar den Teil, der eintraf,
ehe
die für uns sichtbare Explosion stattgefunden hat.«
»Aber ich dachte, nichts sei schneller als das Licht«, warf Ella ein. »Wie kann es dann sein, dass Sie schon vorher etwas gemessen haben?«
Ein schwaches Lächeln stahl sich auf Jans Gesicht. »Wie gut sind Sie mit Astrophysik vertraut?«
»Nicht besonders«, gestand Ella offen ein. »Ich habe zeit meines Lebens immer eher nach unten als nach oben geschaut.«
»Das macht nichts.« Jan lächelte. »Dann werde ich es Ihnen schnell erklären. Nach dem neuesten Stand der Forschung gibt es so etwas wie Schwerkraft überhaupt nicht. Der Begriff
Gravitation
ist nichts weiter als ein Behelfskonstrukt, um zu erklären, warum der Apfel immer nach unten fällt, oder anders ausgedrückt: warum Massen sich anziehen. Viele verwenden diesen Begriff heute noch, aber nur aus dem Grund, weil man es sich besser vorstellen kann. Doch nach Einsteins Relativitätstheorie ist dieser Notbehelf nicht mehr haltbar. Heute wissen wir, dass Massen den Raum krümmen. Je größer, desto stärker. Stellen Sie sich ein Gummituch vor, auf dem eine Orange liegt – sinnbildlich für eine Sonne. Jetzt nehmen Sie eine Erbse und lassen Sie tangential darauf zurollen. Was geschieht? Die Erbse fällt in die Einbuchtung und beginnt, um die Orange zu kreisen. Gäbe es keine Reibung und würde das Gummituch die Erbse nicht abbremsen, so würde sie für immer um die Orange kreisen. So, wie auch die Planeten um die Sonne kreisen. Wie Sie sehen, hier sind keine mysteriösen Gravitonen im Spiel, sondern nur die Raumkrümmung. Natürlich ist das Gummituch nur zweidimensional. Die Raumkrümmung findet aber in allen drei Dimensionen statt, was natürlich schwer vorstellbar ist. Es ist wie ein Gitternetz, das an einer gewissen Stelle nach innen gezogen wird. Wie auch immer …«, Jan blies sich eine blonde Strähne aus dem Gesicht, »Tatsache ist, wenn es zu einer Sternenexplosion kommt, verschieben sich mit einem Mal die Masseverhältnisse in diesem Bereich, sprich: die Raumkrümmung verändert sich schlagartig. Dabei entstehen Wellen, die sich rasend schnell in alle Richtungen ausbreiten. So, als habe man einen Stein ins Wasser geworfen. Die Wellenfront selbst ist sehr schwer nachzuweisen. Wir reden hier von minimalsten Kräuselungen des Raumes. Sie dienen aber als Trägermedium für eine geheimnisvolle neue Art von Teilchen, die wir entdeckt haben, die sogenannten Neutrinos. Winzig kleine Teilchen, etwa zehntausendmal kleiner als die Masse eines Elektrons. Wie der Name schon sagt, sind sie elektrisch neutral, gehen also kaum Wechselwirkungen mit anderen Teilchen ein. Sie
Weitere Kostenlose Bücher