Magma
ihm seine Hand auf die Schultern. »Nehmen Sie’s nicht persönlich. Es dient unser aller Sicherheit. Je weniger Sie wissen, umso besser. Glauben Sie mir.«
Colin nickte. In seinem Lächeln lag ein Anflug von Traurigkeit. »Na ja, dann werde ich mich mal auf den Weg machen. Alles Gute, Herr Oberst. Rufen Sie mich an, wenn Sie mich brauchen.« Mit diesen Worten wendete er das
Elmo
und verschwand mit einem Aufjaulen des Motors im Labyrinth der Gänge.
Der Professor seufzte. Colin erinnerte ihn an seine Anfänge als Wissenschaftler vor etwa dreißig Jahren. Auch er war damals jung, neugierig und überschäumend vor Energie gewesen. Es stimmte ihn traurig, wenn er daran dachte, wie sehr er sich seitdem verändert hatte.
Er blickte dem
Elmo
noch einige Sekunden nach, dann raffte er sich auf und trat vor die Pforte. Dort entnahm er seiner Tasche eine Magnetkarte und zog sie durch den Schlitz, der sich rechts neben der Tür befand. Er tippte eine Zahlenkombination ein und stellte sich dann gut sichtbar vor das Auge der Videokamera.
»Eli!«, ließ sich eine resolute Frauenstimme über den Außenlautsprecher vernehmen. »Ich freue mich, dass du es einrichten konntest.« Mit einem tiefen Summen glitten die Flügel der Stahltür auseinander. Sie waren in einem Fünfundvierzig-Grad-Winkel miteinander verzahnt und so breit, dass man mit einem Panzer hätte hindurchfahren können.
Die Hände in den Taschen, die Aktentasche unter den Arm geklemmt, überschritt Weizmann die rote Linie – die Grenze zum Hochsicherheitstrakt, jenem Bereich, der das Objekt vor störenden Umwelteinflüssen schützte und gleichzeitig die Außenwelt vor den zerstörerischen Kräften in seinem Inneren bewahrte. Eine Schutzmaßnahme, die in beide Richtungen funktionierte. Der Hochsicherheitstrakt verfügte über eine eigene Strom- und Wasserversorgung sowie mehrere Notausgänge. Selbst wenn der Berg über ihnen zusammenstürzen würde, würde man hier unten ungestört weiterforschen können. Sollte man sich jedoch irgendwann dazu entschließen, das Projekt stillzulegen, so wäre dieser Ort die letzte Ruhestätte für das Objekt. Ein gewaltiger Sarg aus Stahl, Glas und Beton.
Jedes Mal, wenn der Professor diesen Teil des Labors betrat, schnürte es ihm die Luft ab. Es war, als würden die gottgegebenen Gesetze der Natur mit Übertretung der roten Linie ihre Wirkkraft verlieren. Hier unten lag etwas, das er mit all seinem Fachwissen, mit seinen jahrzehntelangen Beobachtungen und Studien nicht erklären konnte. Für jemanden wie ihn, der sich zeit seines Lebens an Fakten und Tatsachen geklammert hatte, ein unerträglicher Zustand.
Helène Kowarski erwartete ihn auf der anderen Seite des Raums, die Arme verschränkt und mit einem stechenden Blick in den Augen.
»Zwei Stunden, Eli.
Zwei Stunden
.«
»Ich weiß«, sagte er und hob dabei die Hände in einer Geste der Entschuldigung. »Aber es ging nicht schneller. Ich habe es Filmore eben schon erklärt. Da draußen tobt ein Sturm. Wenn es einen näher gelegenen Eingang geben würde, hätte ich natürlich den genommen.«
Helène sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an. »Was erwartest du? Dass wir dir von Splügen aus einen eigenen Tunnel graben? Die Anlage verschlingt schon jetzt Millionen, auch ohne dass unsere Mitarbeiter alle einen eigenen Eingang bekommen.«
Weizmann murmelte ungehalten vor sich hin, erwiderte aber nichts. Wenn Helène sich in dieser Stimmung befand, war es ratsam, sie nicht zu provozieren. Er betrachtete sie aus dem Augenwinkel. Die Tochter des Firmengründers besaß eine bemerkenswerte Präsenz. Sie war noch ein paar Zentimeter kleiner als er, aber das kompensierte sie durch eine beeindruckende Stimme. Wenn sie sprach, richteten sich automatisch die Augen aller Anwesenden auf Helène, so ungewöhnlich war ihre Stimmlage. Tief, aber gleichzeitig weiblich. Ein scheinbarer Widerspruch, der aber durchaus ihrem Charakter entsprach. Doch dies war nicht das einzig Ungewöhnliche an Helène. Jedes Mal, wenn der Professor hier unten war, fiel ihm auf, wie ausgesprochen gut diese Frau aussah. Die Jahre schienen an ihr abzuperlen wie Wasser auf Vogelfedern. Sie mochte so um die fünfundfünfzig sein, doch sie hatte die Haut und das Lachen einer Dreißigjährigen. Nur ihre grauen Haare verrieten ihr wahres Alter. Helène ließ sich jedoch nicht dazu überreden, sie zu tönen. Überhaupt legte sie kaum Wert auf ihr Äußeres. Die Frisur streng zu einem Knoten gebunden, die Fingernägel
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