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Magma

Magma

Titel: Magma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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richtet sich auf die
Vermehrung
von Wissen, nicht auf dessen Unterdrückung.«
    »Genau das hat Robert Oppenheimer auch gesagt, als er die Atombombe erfand«, gab Weizmann mit düsterer Miene zurück. »Wir tragen eine weit größere Verantwortung und sind nicht nur für die Vermehrung von Wissen zuständig.« In einem Anflug plötzlicher Entschlossenheit richtete er sich auf. »Willst du meine Meinung hören?«
    »Natürlich will ich das. Deshalb habe ich dich kommen lassen.«
    Weizmann nickte grimmig. »Du wirst dir denken können, was ich zu sagen habe. Aber ich wiederhole es gern noch einmal.« Er musste einmal tief durchatmen, ehe er weitersprechen konnte. »Wir sollten unsere Arbeit hier beenden. Diese Forschungen bringen mehr Schaden als Nutzen. Dieses
Ding
hier …«, er wedelte mit der Hand in Richtung des Glaszylinders, »was immer es ist – es ist erst durch unser Eingreifen zum Leben erwacht. Du weißt selbst, dass es keine Beobachtung ohne gleichzeitige Veränderung der Bedingungen gibt. Indem wir beobachten, verändern wir das Objekt. Wohin das führen kann, hast du selbst gesehen.«
    Helène nickte bedächtig. Er hatte seine Meinung ihr gegenüber schon oft genug zum Ausdruck gebracht, und sie hatte sich stets als geduldiger Zuhörer erwiesen. Ob sie jetzt, da die Dinge ins Rollen gerieten, immer noch so geduldig sein würde, musste sich noch zeigen.
    »Wir wissen nicht, ob Schmitts Untersuchungen mit der Öffnung in Zusammenhang stehen oder ob sie gar der Auslöser dafür waren«, sagte sie nachdenklich. »Ohne klare Beweise sind das alles nur Spekulationen. Unsere Aufgabe bestand von Anfang an in der Beobachtung und der Auswertung der gewonnenen Erkenntnisse. Das haben wir bisher getan und damit sollten wir fortfahren.« Sie schenkte ihm ein schmales Lächeln. »Und dabei zähle ich auf deine Mithilfe, Eli. Ich brauche dich hier.«
    »Und wozu, wenn ich fragen darf?«
    »Du bist das konservative Element in unserer Gruppe«, sagte sie, und ein warmherziges Lächeln überzog ihr Gesicht. »Wo andere vorpreschen, mahnst du zur Zurückhaltung. Wo andere für Fortschritt plädieren, hältst du die Tradition hoch. Was wir hier in unserem Team praktizieren, ist Evolution in Reinkultur. Ich brauche dich, wenn wir zu den innersten Geheimnissen dieses Objektes vordringen wollen.«
    »Du bist verrückt«, sagte Weizmann. »Ich sage dir, es gibt auch für Wissenschaftler eine Grenze. Wenn du jetzt weitermachst, überschreitest du diese Grenze.«
    »Ach Eli«, sagte Helène, »wir haben diese Diskussion doch schon hundertmal geführt, und es ist nichts dabei herausgekommen. Wir können uns angesichts eines solchen Durchbruchs doch nicht einfach abwenden. Dies hier«, sie breitete die Arme aus, »dies alles wurde nur gebaut, um die Fragen nach den Rätseln des Kosmos zu stellen. Und jetzt bietet sich endlich mal die Möglichkeit, ein paar Antworten zu bekommen.«
    Weizmann schüttelte den Kopf. »Wir Menschen haben unser Schicksal selbst in der Hand. Wir allein sind verantwortlich für unsere Taten. Unter dem Unglück, das du heraufbeschwörst, werden wir alle zu leiden haben. Reicht es nicht, was heute Nacht geschehen ist? Müssen noch mehr Menschen sterben, nur um den Traum, oder besser gesagt, den
Albtraum
deines Vaters Realität werden zu lassen?«
    »Du vergreifst dich im Ton«, fuhr Helène ihn an. »Mäßige deine Zunge oder ich werde dich von unserem Projekt abziehen.«
    »Willst du mir jetzt etwa auch noch drohen?«, fauchte Weizmann. »Was ist bloß aus dir geworden, dass du zu solchen Mitteln greifst? Hast du vergessen, wer das hier alles aufgebaut hat? Wer hat denn nach dem Tod deines Vaters die Geschäfte weitergeführt?«
    »Wie könnte ich das je vergessen, Eli«, sagte Helène, das Kinn trotzig vorgereckt. »Ich bin dir unendlich dankbar für das, was du getan hast, aber das ist Schnee von gestern. Du hättest die Leitung des Instituts übernehmen können. Man hat dir den Posten angeboten, aber du hast abgelehnt, erinnerst du dich?«
    Der Professor presste die Lippen aufeinander. Es tat weh, den Finger auf der noch offenen Wunde zu spüren. Im Nachhinein betrachtet hatte er damals einen großen Fehler begangen, aber hinterher war man ja erfahrungsgemäß immer klüger.
    »Erinnerst du dich?«
    »Natürlich erinnere ich mich«, erwiderte er scharf. »Und du weißt ganz genau, warum ich das getan habe. Ich habe dir den Job überlassen, weil ich mich außerstande sah, diese Verantwortung zu tragen.

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