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Magma

Magma

Titel: Magma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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vierzig Kilometern lag, waren deutlich zu erkennen. Es musste ein natürliches Phänomen sein. Und doch …
    »Wie lange würde ich fort sein?«
    Der Große zuckte die Schultern. »Es kommt ganz darauf an, was wir dort unten finden werden. Sie haben ja von Dekan Jaeger selbst gehört, dass Ihre Angelegenheiten auf unbestimmte Zeit in die Hände eines Kollegen übergeben würden.«
    Gebannt blickte sie auf den Monitor. Eben war wieder ein Erdstoß zu sehen. Exakt zwei Stunden und achtundvierzig Minuten lagen zwischen dieser und der vorhergehenden Erschütterung. Und wiederum genauso viel Zeit war zwischen jener und der davor verstrichen. Und immer so weiter. Zwei Stunden achtundvierzig Minuten, keine Sekunde mehr oder weniger. Es war, als habe diese Zeitspanne eine magische Bedeutung. Ella spürte eine seltsame Erregung in sich aufsteigen, während sie den Monitor betrachtete. Die Erdstöße hatten etwas Unheimliches. Es war wie das Ticken einer gewaltigen Uhr.
    »Ich bin dabei«, flüsterte sie.

6
    D er Mann parkte den Wagen in einer der Haltebuchten und stellte den Motor ab. Die Augen geschlossen haltend, schickte er ein Stoßgebet zum Himmel. Er hatte es geschafft. Die wenigen Augenblicke unter freiem Himmel hatten ihn zwar bis auf die Haut durchnässt, aber immerhin war er unbeschadet den Berg hinaufgekommen. Während hinter ihm das schwere Eisentor mit einem dumpfen Dröhnen ins Schloss fiel, nahm er behutsam das Medaillon vom Spiegel und steckte es in die Tasche. Tropfnass und fröstelnd griff er nach Ausweis und Aktentasche, stieg aus und ging in Richtung der Umkleidekabinen.
    Selbst zu dieser frühen Morgenstunde herrschte im Inneren des Bergs Hochbetrieb. Wissenschaftler unterschiedlicher Nationalität eilten zwischen den Labors hin und her, während Logistikpersonal in orangefarbenen Overalls mit Hilfe elektrisch betriebener Kleinfahrzeuge dafür sorgte, dass die Abläufe zwischen den einzelnen Abteilungen reibungslos funktionierten. Beinahe hätte man glauben können, sich auf einem Flughafen zu befinden, wären da nicht die steinernen Bögen und Gewölbe, die massiven Wände und Deckenkonstruktionen gewesen, die der Forschungseinrichtung das Aussehen einer futuristischen Kathedrale verliehen. Die Architektur war vor Jahrzehnten mit einem unvorstellbaren technischen Aufwand aus dem Berg geschnitten worden, wobei sich die vorhandenen natürlichen Höhlenstrukturen übergangslos mit den Bögen und Linien der tragenden Stahlbetonelemente verbinden ließen. Das Bärenhorn glich in seinem Inneren einem gigantischen Termitenbau. Doch das Privileg, hier arbeiten zu dürfen, wurde von einer gewaltigen Zahl von Reglementierungen überschattet. So durfte man weder mit Außenstehenden über das, was hier erforscht wurde, sprechen, noch war es erlaubt, die Ergebnisse in irgendeiner Form zu publizieren. Geheimhaltung und Diskretion waren die Eckpfeiler dieser Einrichtung. Ohne sie würde das Luftschloss in sich zusammenfallen.
    Der Mann löste sich vom prächtigen Anblick der Eingangshalle und lenkte seinen Schritt in Richtung der Umkleidekabinen. Wie immer war die Luft erfüllt vom Stimmengewirr der Wissenschaftler, doch heute kam es ihm so vor, als wäre die Atmosphäre merkwürdig aufgeladen. Als spürten alle, dass etwas Bedeutsames geschehen war.
    Er war noch nicht weit gegangen, als er seinen Assistenten entdeckte. Ein schlanker Mann eilte ihm entgegen. Die Deckenbeleuchtung schimmerte auf seinem schwarzen Haar. »Herr Oberst, endlich!«, sagte er mit unverkennbar irischem Akzent.
    Colin Filmore war etwa einen Kopf größer als er selbst und von sonnigem Gemüt. Eine Eigenschaft, die der Mann, den alle nur
den Oberst
nannten, in dieser Welt aus Kunstlicht und Stahlbeton als höchst willkommen empfand.
    Den Spitznamen hatte er verpasst bekommen, nachdem bekannt geworden war, dass er mehrere Jahre im wissenschaftlichen Beraterstab der israelischen Armee gearbeitet hatte. Eine Arbeit, auf die er, rückblickend betrachtet, nicht besonders stolz war. Immerhin war es dabei um die Entwicklung von Atomwaffen gegangen. Professor Elias Weizmann nahm seine Brille ab und putzte sie ausgiebig. Auch ohne seinen Titel war der Gedanke naheliegend, dass es sich bei ihm um einen Akademiker handelte. Gebeugte Körperhaltung, schütteres Haar, das am Kinn in einen ergrauten Spitzbart mündete, und vor allem die müden, mit schweren Tränensäcken versehenen Augen, die meist hinter der übergroßen Brille verborgen waren, ließen

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