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Magma

Magma

Titel: Magma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Die gesamte Versorgung erfolgte unterirdisch, ebenso die An- und Abfahrt der zweihundertköpfigen wissenschaftlichen Basiscrew, die hier rund um die Uhr arbeitete. Gegründet worden war das Unternehmen 1954 von Lew Kowarski, Pierre Auger und Edoardo Amaldi, drei Physikern, die bereits zwei Jahre zuvor den Grundstein für die größte nukleare Forschungseinrichtung der Welt, das Schweizer
Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire,
kurz: CERN , gelegt hatten. Das maßgebende Argument für die Errichtung dieser zusätzlichen Einrichtung war ein Fund, den Lew Kowarski im Jahre 1954 gemacht hatte. Es handelte sich dabei um ein Objekt, das den Erkenntnissen der Naturwissenschaften, Einsteins Relativitätstheorie eingeschlossen, so diametral entgegenstand, dass man befürchtete, eine Freigabe der Untersuchungsergebnisse könne zu erheblichen Irritationen in der Öffentlichkeit führen. Eine Ansicht, die Elias Weizmann durchaus teilte.
    Seine anfängliche Begeisterung war über die Jahre einem nagenden Zweifel gewichen. Einer Abneigung, die es ihm immer schwerer machte, sich in der Nähe des Objektes aufzuhalten. Zu seinem Leidwesen musste er eingestehen, dass sie bisher so gut wie nichts über das Ding herausgefunden hatten. Sie hatten es mit Teilchen beschossen, geröntgt, Laserbestrahlung ausgesetzt, sie hatten versucht, ihm mit kinetischer, elektrischer und magnetischer Energie zu Leibe zu rücken, alles vergebens. In den langen Jahren, die zur Untersuchung zur Verfügung gestanden hatten, war man der Lösung des Rätsels kaum einen Schritt näher gekommen.
    So zumindest lauteten die offiziellen Berichte. Weizmann war im Besitz einiger Fakten, die er bisher noch unter Verschluss hielt – aus persönlichen Gründen. Es waren nur vage Ideen und Vorstellungen, aber sie konnten sich eines Tages als wichtig erweisen. Der Zeitpunkt, an dem er dieses Material an andere aushändigen würde, lag noch in weiter Ferne. Was man bisher herausgefunden und als Forschungsergebnis offiziell niedergelegt hatte, war beängstigend genug. Das Objekt bestand aus einem fremdartigen Material, und es war in der Lage, den Raum zu krümmen. Das hieß, es sandte phasenweise Gravitationswellen aus, die auf allen Messinstrumenten angezeigt wurden und für jemanden, der sich in unmittelbarer Nähe befand, sogar spürbar waren. Einfach ausgedrückt: Dieses Ding wurde für kurze Zeit
schwerer
 – und zwar um ein Vielfaches seines Eigengewichts. Niemand konnte erklären, wie es das machte, geschweige denn warum. Es passierte einfach von Zeit zu Zeit. In den knapp fünfzig Jahren seit Beginn der Aufzeichnungen glaubte man, in den gravimetrischen Wellen ein Muster erkannt zu haben. Ein Muster, das von manchen mit viel Phantasie als Signal gedeutet wurde. Einige wenige verstiegen sich sogar zu der Annahme, es könne sich um eine Art Kommunikationsversuch handeln, doch das alles war pure Spekulation. Nichts, was sich auf der Basis der vorhandenen Fakten wirklich erhärten ließ. Für Elias Weizmann war dieses ganze Unternehmen ein zum Scheitern verurteilter Versuch, das Unerklärliche erklärbar zu machen.
    »Wir sind da«, sagte Colin und tippte ihm auf die Schulter. Der Professor schrak auf. Er war in Gedanken gewesen und hatte gar nicht bemerkt, dass sie bereits vor dem großen stählernen Schiebetor standen. Kalt und grau schimmerte es im Licht der Leuchtstoffröhren. Dahinter verbarg sich das, was er und seine Kollegen ehrfurchtsvoll das
Herz des Berges
nannten. Der Fund, den Lew Kowarski vor über fünfzig Jahren gemacht hatte.
    Weizmann griff nach seiner Tasche und stieg ab. Als er sich gerade zum Gehen wandte, zupfte Colin ihn leicht am Ärmel. »Meinen Sie nicht, dass Helène diesmal eine Ausnahme machen könnte? Ich arbeite jetzt schon seit drei Jahren hier und habe das Ding noch nie zu Gesicht bekommen.«
    Weizmann schüttelte den Kopf. »Der Zugang ist nur den engsten Mitarbeitern gestattet.«
    »Vielleicht, wenn Sie ein gutes Wort für mich einlegen würden …?«
    »Ich kann es gern versuchen«, sagte der Professor. »Hier drüben ist eine Kamera. Wenn Sie wollen, werde ich sie fragen.«
    Colin blickte sehnsüchtig in Richtung Stahltür. Dann schüttelte er den Kopf. »Nein. Sie haben Recht. Es würde sie nur verärgern.«
    »Das sehe ich auch so.«
    Der junge Mann zuckte mit den Schultern. »Vielleicht erzählen Sie mir irgendwann davon, bei einem Bier. Andererseits, wie ich Helène kenne, wird auch daraus nichts.«
    Weizmann legte

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