Magma
die er gerade sah, waren in der kugelähnlichen Verdickung unter dem eigentlichen Bootskörper aufgenommen worden, der so genannten Druckkammer. Die Kamera musste sich irgendwo an der Decke befinden und war nach unten gerichtet. Wahrscheinlich eine Überwachungskamera. Er hielt inne. Plötzlich wusste er, womit er es zu tun hatte. Das waren die Aufnahme einer Webcam. Die Bilder wurden in ebendiesem Augenblick aufgenommen und live gesendet. Colin näherte sich dem Monitor so weit, dass seine Nase beinahe das Glas berührte. Eine der dort anwesenden Personen kam ihm verdächtig bekannt vor. Ein großer hagerer Mann mit einer eckigen Brille und einem schmalen Vollbart. Er hatte ihn schon einmal gesehen. Und zwar hier, in diesen Labors. Er glaubte sich schwach an seinen Namen zu erinnern.
Martin
.
Genau, Konrad Martin, von der geologischen Abteilung. Aber was hatte der an Bord eines japanischen U-Boots zu suchen? Ein komisches Volk, diese Geologen. Immer mürrisch, immer verdrießlich und immer in Braun und Schwarz gekleidet. Zum Glück hatten die Radiologen nicht allzu viel mit ihnen zu schaffen. Er konnte sich erinnern, dass Professor Weizmann den Namen dieses Mannes irgendwann einmal im Zusammenhang mit ihrer Chefin Helène Kowarski erwähnt hatte. War da von einer Affäre die Rede gewesen? Er hatte es vergessen.
Fest stand nur, dass Weizmann diesen Martin nicht mochte. Ja mehr noch, er misstraute ihm zutiefst. Hatte mal verlauten lassen, dass er ihn im Verdacht hatte, eine falsche Identität zu benutzen. Colin richtete sich auf. Helène erwartete seinen Rückruf, und er hatte immer noch nichts Konkretes herausgefunden. Ein kurzer Blick sagte ihm, dass zusätzlich zu der Liveübertragung aus dem U-Boot noch ein weiteres Programm lief. Irgendein regelmäßiges Signal, das still und leise vor sich hin tuckerte. Colin fehlte die Zeit, sich jetzt damit zu befassen. Er musste den Oberst finden, alles andere würde sich danach ergeben. Eilig wandte er sich dem nächsten Raum zu. Offenbar das Wohnzimmer. Beherrscht wurde es von einem gewaltigen Ohrensessel, über den achtlos eine Wolldecke geworfen worden war. Etliche Bücherregale, die von Romanen und schöngeistiger Literatur nur so überquollen, standen an den Wänden. Auch eine Stereoanlage gab es hier, zudem eine beachtliche Sammlung klassischer Musik. Colin wollte sich gerade in Richtung Schlafzimmer aufmachen, als sein Blick auf den kleinen Couchtisch neben dem Sessel fiel.
Seine Atmung setzte für einen Moment aus.
Dort lagen ein Löffel, eine Spritze, daneben ein Sortiment steril verpackter Nadeln, ein Spiritusbrenner und ein Gummischlauch. Und ein Tütchen, gefüllt mit einem weißen Pulver. Colin fühlte die Kraft aus seinen Beinen weichen. Ein Heroinbesteck. Irrtum ausgeschlossen.
»Haben Sie mich also entdeckt, mein Junge.«
Colin fuhr herum. Unter der Decke, die über dem Sessel lag, regte es sich. Es war so dunkel, dass er nicht bemerkt hatte, dass dort jemand saß.
»Herr Oberst!«, brach es aus ihm heraus. »Was …? Ich meine, wie …?« Ihm versagte die Stimme.
Elias Weizmann richtete sich langsam auf. Dabei gab er Laute von sich, als litte er unter großen Schmerzen. »Wie oft habe ich Ihnen schon gesagt, dass Sie mich nicht so nennen sollen?« Als er aufrecht saß, blickte er Colin aus großen traurigen Augen an. »Hat Helène Sie auf meine Spur gehetzt? Natürlich, wer sonst? Es ist immer Helène, nicht wahr? Scheint ohne mich nicht auszukommen, die Gute«, er lachte leise. Die Stimme jagte Colin einen Schauer über den Rücken, so leise und brüchig klang sie.
»Mein Gott, Professor«, sagte er. »Was machen Sie denn hier? Wir versuchen seit über einer Stunde, Sie zu erreichen.«
»Hab alles abgeschaltet«, sagte Weizmann. »So viel zu tun, so viel zu tun …« Er wurde von einem heftigen Husten geschüttelt. »Ich bin krank, Colin. Wahrscheinlich eine Grippe. Sagen Sie Helène, ich komme, sobald ich mich wieder besser fühle.«
»Ja. Ich meine,
nein
. Sie sollen sich sofort mit ihr in Verbindung setzen. Ich weiß nicht, worum es geht, aber ich habe etwas von einem vorgezogenen Starttermin gehört.«
»Das weiß ich doch schon längst. Die verdammten Japaner nehmen es mit der Pünktlichkeit auch nicht mehr so genau. Deshalb hatte ich ja so viel zu tun.« Der Professor schien von Sekunde zu Sekunde mehr ins Leben zurückzukehren. Auf einmal blitzte Argwohn in seinen Augen auf. »Wie lange sind Sie schon hier unten?«
»Lang genug«,
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