Magma
lautete, möglichst viele Informationen über dich zu sammeln. Der Gedanke, dich in deinem Hotel aufzusuchen, schien mir eine gute Idee zu sein. Wie konnte ich denn ahnen, dass ich mich in dich verlieben würde.«
»Halt den Mund«, fauchte sie. »Halt einfach den Mund.« Sie versuchte, sich auf ihr Programm zu konzentrieren. »Und wenn ich dir noch einen guten Rat geben darf: Nimm deine Hand endlich von meinem Arm!«
17
T oshio Yamagata schwebte wie auf Wolken. Der Boden der Challenger-Tiefe war in greifbare Nähe gerückt, und die
Shinkai
hielt sich prächtig. Bis auf einen kurzzeitigen Ausfall des Höhensonars auf Meter 6363 , der auf die übermäßige Bildung von Kondenswasser zurückzuführen war, hatte es nicht die kleinste technische Panne gegeben. Er hatte den Technikern auf der
Yokosuka
bereits durchgegeben, dass die Menge an Silikatgel auf der nächsten Fahrt erhöht werden musste. Ansonsten verlief der Vorstoß in die Tiefe wie nach dem Lehrbuch. Ihre Sinkgeschwindigkeit betrug konstant einen Meter pro Sekunde, wenn man mal von der Durchbrechung der so genannten Thermoklinen absah, Grenzbereiche, in denen warme und kalte Wasserschichten aufeinandertrafen und die Fahrt erheblich verzögern konnten. Doch die
Shinkai
hatte all diese Barrieren problemlos gemeistert.
Ein Blick auf den Tiefenmesser bestätigte ihm, dass sie die Zehntausendermarke bereits passiert hatten. Nur noch wenige hundert Meter trennten sie von der Stelle, an der im Jahr 1960 die beiden Wissenschaftler Walsh und Piccard mit ihrem
Bathyskaphen
gelandet waren. Damals hatte ihr Tiefenmesser 11 340 Meter angezeigt – ein Irrtum, wie sich herausstellte. Das schweizerische Messinstrument war versehentlich im Süßwasser geeicht worden, das eine geringere Dichte aufweist als Salzwasser. Dieser Fehler würde sich bei ihnen nicht wiederholen. Wenn sie aufsetzten, würde die Anzeige 10 740 betragen, ein paar Meter mehr oder weniger waren einkalkuliert. Vielleicht würden sie sogar auf die Markierung der Kaiko stoßen, die die unbemannte Sonde vor ziemlich genau zehn Jahren hier zurückgelassen hatte. Eine weiße Boje, verankert im weichen Schlick des Meeresbodens. Die Kaiko, ein
Remotely Operated Vehicle
, kurz ROV genannt, diente dazu, die Stellen zu markieren, an denen die
Shinkai
später tauchen sollte. Normalerweise wäre sie auch jetzt wieder zum Einsatz gekommen, doch in Anbetracht des knappen Zeitfensters und der Tatsache, dass diese Stelle vor Jahren bereits gründlich untersucht wurde, hatte man diesmal auf den Einsatz des kleinen Roboters verzichtet. Yamagata, der im Allgemeinen sehr auf Sicherheit bedacht war, bedauerte diesen Umstand, denn er mochte den kleinen Roboter und schenkte ihm uneingeschränktes Vertrauen. Doch die Aussicht, über eine Woche warten zu müssen, bis sich der Sturm verzogen und die Kaiko ihre Daten gesendet hatte, waren alles andere als verlockend gewesen.
Er warf einen weiteren Blick auf den Tiefenmesser. 10 250 Meter. Eine unvorstellbare Tiefe. Über 1300 Kilogramm Druck lasteten jetzt auf jedem Quadratzentimeter der schützenden Außenhülle. Nicht einmal mehr ein halber Kilometer, dann hatten sie es geschafft. Er blickte in die erwartungsvollen Gesichter seiner Gehilfen und nickte ihnen aufmunternd zu. Auch sie schienen diese aufgeladene Atmosphäre zu spüren, dieses Prickeln. Der historische Moment stand kurz bevor.
Plötzlich ertönte ein Rumpeln. Das Boot wurde von einer heftigen Turbulenz geschüttelt. Sein stählerner Rumpf geriet in eine merkliche Schieflage, kippte dann jäh zur anderen Seite und begann langsam im Kreis zu schwimmen. Es schien, als wäre die
Shinkai
von den Armen eines gewaltigen Kraken gepackt worden. Ein schriller Piepton drang aus dem Lautsprecher. Über Yamagatas Kopf leuchtete ein rotes Warnlicht. Die Temperaturanzeige.
Ungläubig starrte er auf die Nadel. Wenn die Temperaturanzeige zuverlässig arbeitete, war die Außentemperatur in wenigen Augenblicken um zehn Grad angestiegen. Er klopfte gegen das Gehäuse. Die Nadel zitterte leicht, verharrte aber auf der Zwölf-Grad-Marke. Mit einem geübten Blick überprüfte er den Temperaturfühler am Heck. Kein Zweifel, die Werte stimmten.
»Maschinen stopp!«
Sein Copilot gehorchte augenblicklich. Das Summen des Elektromotors verstummte. Yamagata nahm seinen Helm ab und wandte sich an die ausländischen Wissenschaftler. Dem Schweizer Geologen, der eben aufgewacht war, stand die Müdigkeit noch ins Gesicht
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