Magma
wandte sich an Yamagata. »Wie weit sind wir?«
»Sehen Sie selbst.«
Ella blickte aus dem Backbordfenster und sah, dass der Sauger inzwischen eine Fläche von schätzungsweise vierzig Quadratmetern freigelegt hatte. Obwohl die Sicht immer noch von mikroskopisch kleinen Schwebeteilchen getrübt war, bot sich ihr ein verblüffender Anblick. Vor ihren Augen breitete sich eine graue, glänzende Fläche aus. Kleine Buckel und Verwerfungen spiegelten das Licht der dahinterliegenden Lavafelder. Die Oberfläche hatte etwas Speckiges an sich, als hätte sie jemand vor kurzem mit Bohnerwachs behandelt. Es fanden sich keinerlei Zeichen von Erosion oder Zersetzung, wie man es eigentlich hätte erwarten dürfen. Denn Salzwasser besaß ein zerstörerisches Potenzial und korrodierte auf Dauer selbst das widerstandsfähigste Material. Es gab darüber hinaus noch eine weitere Besonderheit, die Ella bereits zu Beginn der Bohrung aufgefallen war. Ein scheinbar kleines, unbedeutendes Detail, das umso mehr an Bedeutung gewann, je länger sie darauf starrte. Obwohl sie die Theorie von einem außerirdischen Artefakt nur geäußert hatte, um ihre Kollegen zu provozieren, kam ihr dieser Gedanke mit einem Mal gar nicht mehr so abwegig vor. »Könnten Sie die Kamera des Bohrers auf Bodenniveau herunterlassen? Ich würde mir diese Schicht gern in einem flacheren Winkel ansehen.«
»Kein Problem.« Yamagata umschloss die Griffe der Steuerung und bewegte das Objektiv mit dem Feingefühl eines Chirurgen in die richtige Position.
Als das Bild deutlich wurde, scharten sich alle um den Monitor. Aus dieser Position betrachtet, wirkte die Oberfläche noch viel glänzender als vorher aus dem Bordfenster. Yamagata ließ die Kamera einen leichten Schwenk ausführen, bis eines der Standfüße der
Shinkai
das Bild versperrte. Danach schwenkte er wieder zurück.
Esteban fuhr mit der Spitze seines Zeigefingers über den Monitor. »Liegt das an der Linse des Objektivs oder ist diese Schicht irgendwie gekrümmt?«
Yamagata schüttelte den Kopf. »Es ist zwar ein Weitwinkelobjektiv, aber die interne Kamerasoftware sollte die optischen Verzerrungen ausgleichen.«
»Sieht aus wie eine Aufwölbung«, murmelte Esteban, während die Kamera zurückschwenkte. »Wie eine gigantische Blase.«
»Keine Blase«, sagte Ella und deutete auf ihr Notebook, auf dem immer noch die dreidimensionale Simulation des Meeresbodens zu sehen war. Ihre Finger huschten über die Tastatur, als sie die neuen Daten eingab. Urplötzlich wurde die vordere Hälfte des Vorsprungs, auf dem die
Shinkai
ruhte, durchsichtig. Der Computer präsentierte eine Schnittzeichnung des Hügels.
»Es ist eine
Kugel
. Durchmesser schätzungsweise zweihundert Meter. Sehen Sie selbst.«
Bei näherer Betrachtung konnte man erkennen, dass der Vorsprung, auf dem sie standen, in Wirklichkeit nur die obere Hälfte dieses gewaltigen Sphäroiden darstellte. Die untere Hälfte steckte im Meeresgrund wie eine Perle in der Auster.
»Sind Sie sicher, dass das Objekt wirklich so aussieht?«, fragte Yamagata. »Wie kommen Sie zu dem Schluss?«
»Ich habe die Krümmung einfach extrapoliert und das Ergebnis in die Abmessungen des Hügels eingefügt«, erläuterte sie. »Wenn man den Rechner einfach weiterlaufen lässt, entsteht eine Kugel, die ganz genau mit den Abmessungen der Felsnase, auf der wir stehen, übereinstimmt. Ich glaube nicht, dass das ein Zufall ist.«
»Das Ding ist ja riesig«, flüsterte Esteban, der merklich blasser geworden war. »Was in Gottes Namen ist das?«
Ella nahm sein Staunen mit einer gewissen Schadenfreude zur Kenntnis. »Das, meine lieben Kollegen, ist das, wonach wir gesucht haben.« Sie legte die Hände neben die Tastatur, damit niemand merkte, dass sie vor Erregung zitterten. »Ich habe schon zu Beginn unserer Reise bemerkt, dass dieser Felsvorsprung eine seltsame Form hatte. Zu ebenmäßig, zu wenig erodiert. Er wirkt wie ein Fremdkörper in dieser zerklüfteten Unterwasserlandschaft. Als ich dann noch die perfekte Wölbung des freigelegten Bodens bemerkte, kam mir der Gedanke mit der Kugel. Ich gebe zu, ich stütze mich hier weitestgehend auf Erkenntnisse, die ich durch Extrapolation gewonnen habe, aber ich finde, das Ergebnis klingt recht plausibel. Das ist es, womit wir es meiner Meinung nach zu tun haben. Ein riesiger Sphäroid, der gravimetrische Wellen aussendet und aus einem harten, unzerstörbaren Material besteht.«
Eine kurze Pause entstand, doch dann war es, als habe
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