Magma
Leiter der Expedition. Er allein hatte die Entscheidungsgewalt. Also trägt auch er die alleinige Verantwortung.«
»Das heißt, sie konnten sich bei der Anhörung nur auf die Aussagen aller Beteiligten stützen?«
»So ist es. Du und Martin, ihr habt für mich gestimmt, die drei Japaner gegen mich. Meine Aussage hinzugerechnet, und das Ergebnis war unentschieden.«
»Dann bist du doch aus dem Schneider, oder?«
»Wenn’s nur so wäre.« Sie schüttelte den Kopf. »Die Schiedsleute haben noch kein abschließendes Urteil gefällt. Tatsache ist aber, dass mich alle für unfähig zu halten scheinen. Wenn du nur ihre Gesichter hättest sehen können. Na ja, ich fürchte, damit werde ich leben müssen.« Sie lächelte gequält. »Oh, ich vergaß zu erwähnen, dass ich heute Post bekommen habe.« Sie wedelte mit einem Stück Papier in der Luft herum.
Esteban versuchte sich aufzurichten, was ihm sichtlich Mühe bereitete. »Was ist es? Dein Steuerbescheid?« Er versuchte zu lächeln, was ihm aber nicht gelang. Unter Schmerzen ließ er sich zurücksinken.
»Meine Freistellung.«
Stille trat ein.
»Das ist nicht dein Ernst, oder?«
»Ich fürchte schon. « Sie griff in die Innentasche ihrer Jeansjacke, holte ihre Brille heraus und setzte sie auf. In der Kopfzeile des Briefes prangte das Porträt des ersten Präsidenten der Vereinigten Staaten, darunter war der Absender genannt:
George Washington University, Washington DC , Präsident der Universität.
»Von ganz oben, habe ich Recht?«, murmelte Esteban. »Ich kann mir schon denken, was drin steht.«
»Willst du es hören?«
»Unbedingt.«
»Also …« Sie befeuchtete ihre Lippen. »
Sehr geehrte Dr.Jordan, Bezug nehmend auf die jüngsten Ereignisse muss ich Ihnen leider mitteilen, dass sich unser Vorstand dafür ausgesprochen hat, Sie von der Professur an der Geologischen Fakultät auf unbestimmte Zeit freizustellen. Zumindest so lange, bis alle Fakten vorliegen und es zu einer abschließenden Beurteilung seitens des japanischen Schiedskomitees gekommen ist. Dieser bedauerliche Umstand hat weniger mit Ihrer Qualifikation zu tun, als mit der Tatsache, dass unsere Universität kein Interesse daran hat, ins Rampenlicht der Medien zu geraten. Die Kontroverse, die in der Zwischenzeit um Ihre Person entbrannt ist, hat dem regulären Universitätsbetrieb bereits beträchtlichen Schaden zugefügt, und es ist davon auszugehen, dass wir mit einem Rückgang von Bewerbungen rechnen müssen, sollten Sie auf einer sofortigen Weiterführung Ihres Lehrauftrags bestehen. Selbstverständlich werden Sie Ihr Gehalt weiter beziehen und auch die Wohnung im University Inn wird Ihnen für diese Zeit weiter zur Verfügung stehen. Bitte haben Sie Verständnis für unsere Entscheidung, bla, bla, bla … Hochachtungsvoll, Joel Trachtenberg, Präsident
.«
Esteban ließ sich zurücksinken. »Kurz und knapp, würde ich sagen.«
»Dahinter steckt Jaeger, da bin ich mir sicher.«
»Wie kommst du darauf?«
»Er konnte mich noch nie leiden. Von Anfang an nicht. Nach dieser Vorstellung in seinem Büro hat er wahrscheinlich einen regelrechten Hass auf mich entwickelt.«
»Woran ich nicht ganz unschuldig bin«, warf Esteban ein.
»Ich glaube, er konnte es gar nicht erwarten, mich wieder loszuwerden. Für ihn war unsere Katastrophe wie ein Pass über dreißig Yards mit anschließendem Touchdown.«
»Und was hast du jetzt vor?«
Ella zuckte die Schultern. »Keine Ahnung. Ich hatte noch keine Zeit, mir über so etwas Gedanken zu machen. Es ging alles so schnell.«
»Ich kann mein Angebot, für uns zu arbeiten, gern wiederholen.«
Ella zog amüsiert die Augenbraue in die Höhe, schüttelte aber dann den Kopf. »Lass mal. Ich weiß dein Angebot wirklich zu schätzen, aber ich glaube, das Militär muss auf meine Dienste verzichten. Wahrscheinlich werde ich mich selbstständig machen und mich in Kalifornien ansiedeln. Dort könnte ich als Berater in Sachen Erdbeben tätig werden. Über den San-Andreas-Graben habe ich seinerzeit meine Doktorarbeit geschrieben.«
»Und was ist mit der Sache hier?«
»Darum sollen sich andere kümmern. Ich habe schon zu viel geopfert.« Sie seufzte. »Aber was rede ich? Das sind alles Kleinigkeiten, gemessen an dem, was dir widerfahren ist. Es tut mir so unendlich leid.«
Estebans Stimme bekam einen wütenden Klang. »Hör jetzt endlich auf, dir für alles die Schuld zu geben. Für das, was geschehen ist, sind wir alle gleichermaßen verantwortlich. Wir alle
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