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Magma

Magma

Titel: Magma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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auch der Arzt ins Wasser gestürzt waren. Wild rudernd versuchten sie, die
Yokosuka
zu erreichen. Vergeblich. Sie wurden vom Sog des sinkenden Schiffes gepackt und in die Tiefe gerissen. Voller Verzweiflung musste Ella mit ansehen, wie sie vor ihren Augen verschwanden und in die Tiefe gezogen wurden. Bange Sekunden vergingen, doch die beiden tauchten nicht mehr auf. Als man sie nach zehn Minuten immer noch nicht gefunden hatte, gaben die Männer der
Yokosuka
die Suche auf.
    Das Ende der Expedition.
    Wie ein Häufchen Elend versammelten sich Retter und Gerettete in der großen Halle. Kaum einer war unverletzt geblieben. Allen stand das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Yamagata traf als Letzter bei ihnen ein. Bis zuletzt hatte er sich geweigert, seinen Platz an der Reling zu verlassen. Immer wieder hatte er auf das Wasser gedeutet und den Kopf geschüttelt. Nach einer Weile war es der Ärztin endlich gelungen, ihn zum Mitkommen zu bewegen. Ella beobachtete ihn aus ihren Augenwinkeln. Der Kommandant schien um Jahre gealtert zu sein. Unter seinen Augen lagen dunkle Ringe. Sein kurzes graues Haar klebte in nassen Strähnen am Kopf. Seine Haltung war gebeugt, und er humpelte beim Gehen. Als er jedoch an Ella vorbeiging, kam Leben in seine verhärmte Gestalt. Er blieb vor ihr stehen und seine Augen funkelten. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, ließ es aber sein. Seine Hände waren zu Fäusten geballt, und Ella konnte erkennen, dass er sich nur mit Mühe beherrschen konnte. Dann ging er weiter.
    Ella blickte ihm nach. Noch niemals in ihrem Leben war sie sich so verlassen vorgekommen.

24
    Eine Woche später …
    E lla saß auf einem verchromten Stuhl an der Seite eines verchromten Bettgestells inmitten eines Raums, der an Nüchternheit kaum zu überbieten war. Im Krankenzimmer Estebans gab es nichts, woran ihre geschundene Seele Freude finden konnte. Kein Radio, keine Bücher, nicht mal Blumen oder Bilder. Der Raum im Militärhospital von Yokohama wirkte wie eine kahle Gefängniszelle. Immerhin hatte man ihr jetzt, nachdem die Anhörung vorbei war, gestattet, ihrem Freund und Kollegen einen kurzen Besuch abzustatten, ehe er nach Washington zurücktransportiert wurde. Sein Zustand hatte sich stabilisiert, aber es zerriss ihr das Herz, wenn sie ihn betrachtete. War dieses Häuflein Mensch wirklich derselbe Mann, den sie vor knapp zwei Wochen kennengelernt hatte? Jener charmante, gutaussehende Typ, der so unwiderstehlich und anziehend auf sie gewirkt hatte. Sie musste an seine Hände denken, die so wunderbare Dinge anstellen konnten, seine muskulösen braungebrannten Arme, die Drachentätowierung …
    Ella betrachtete den Armstumpf und schluckte. »Es tut mir so leid«, flüsterte sie zum wiederholten Male. Wie oft sie diesen Satz in den letzten Tagen ausgesprochen hatte, konnte sie nicht sagen. Sie hatte irgendwann aufgehört zu zählen.
    »Nicht deine Schuld«, murmelte Esteban. Er konnte kaum sprechen, denn sein Kopf war bis auf den Mund und die Augen einbandagiert. Ebenso wie sein Brustkorb mit den gebrochenen Rippen und sein rechtes Bein, das eine Schienbeinfraktur und einen zerschmetterten Meniskus aufwies. »Wie ist die Anhörung gelaufen?«
    »Hätte schlimmer kommen können«, sagte Ella, doch nur, um Esteban nicht unnötig zu belasten. »Sie konnten sich nur auf Zeugenaussagen berufen. Alle Beweise, die meine angebliche Inkompetenz belegen, sind mit der
Shinkai
im Meer versunken. Die Gesprächsaufzeichnungen, die Messungen, die Auswertungen, alles futsch. Wie du weißt, waren wir ja nicht mal in der Lage, die Endergebnisse rechtzeitig an die
Yokosuka
zu schicken. Es ist, als wären wir nie dort gewesen.« Sie zuckte traurig die Schultern.
    »Und die Kugel?«
    »Wir werden wohl nie erfahren, was dort unten ist, jedenfalls nicht in absehbarer Zeit. Die Japaner haben das Projekt erst einmal auf Eis gelegt. Was sollen sie auch anderes tun? Die
Shinkai
war das einzige bemannte Tauchboot mit dieser Reichweite.«
    »Sie könnten Sonden schicken.«
    »Die haben jetzt andere Sorgen. Sie müssen ihren Forschungsetat wieder in Ordnung bringen. Der Verlust des Tauchbootes hat ein riesiges Loch in ihre Kasse gerissen.«
    »Und die Versicherungen zahlen nur, wenn alles lückenlos aufgeklärt wird, ich verstehe«, sagte Esteban.
    »Yamagata hat zwar immer wieder beteuert, dass er nur aufgrund meines Drängens und meiner Beschwichtigungsversuche die Landung auf dem Vorsprung angeordnet hatte, aber letztendlich war er der

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