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Magna Mater - Roman

Magna Mater - Roman

Titel: Magna Mater - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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ein Fest fürs Leben.
    Nach einer reichlichen Mahlzeit hatten wir uns auf der Terrasse der Prinzipalin niedergelassen. Schläfrige Abendruhe lag über der Insel. Die Grillen zirpten. Palmwedel bewegten sich schwerfällig im Wind, der fast eingeschlafen war. Zitronenbäume verströmten ihr Aroma.
    Wie ein Faustschlag durchschnitt ein Schrei die friedfertige Stille, ein lang anhaltender tierischer Schrei.
    Wir fuhren erschrocken von unseren Sitzen.
    Der Schrei verebbte und ertönte aufs Neue.
    »Um aller Vernunft willen, was ist das?«
    Es hörte sich an als würde eine armselige Kreatur gefoltert.
    »Ich werde mich darum kümmern«, sagte die Prinzipalin. «Kein Grund zur Aufregung. Bitte nehmt wieder Platz. Ich bin gleich zurück.«
    Wir lauschten angespannt in die Nacht. Das Geschrei war jetzt verstummt. Aber wir waren um unsere Ruhe gebracht.
    »Was war das für ein Tier?«, fragte ich. »Das klang ja grauenhaft.«
    »So schreit kein Tier. Das war ein Mensch«, meinte Mater Metaxa.
    Nach einiger Zeit, die uns vermutlich viel länger erschien, als sie in Wirklichkeit war, kehrte die Prinzipalin zurück. Sie blickte in unsere erwartungsvollen Gesichter und sagte: »Ich nehme an, euch hat die Große Mutter geschickt, um herauszufinden, was wahr an den Gerüchten ist, die man über uns erzählt.«
    Und als sie uns die Unwissenheit von den Gesichtern ablas, fragte sie ungläubig: »Sollten die Vorgänge der letzten Tage wirklich nicht eure Ohren erreicht haben?«
    »Du sprichst in Rätseln«, meinte Mater Metaxa.
    Die Prinzipalin füllte unsere Tassen mit Tee und erklärte: »Auf keiner anderen Insel leben so viele Menschen wie hier auf Gemora, denn der Stoff der Stoffe benötigt viele Hände. Dieses dichte Zusammenleben auf engem Raum erzeugt einen widerspruchsvollen Typus Mensch. In den Großstädten der christlichen Zeitrechnung mag es dergleichen gegeben haben. Menschen in der Masse sind schwerer zu führen als in kleinen Gruppen. Nur so erkläre ich mir diese Verfehlungen.«
    »Verfehlungen? Was für Verfehlungen?«
    Die Prinzipalin griff nach ihrer Tasse, sie hatte auffallend schlanke Hände, und trank mit geschlossenen Augen Schluck für Schluck von ihrem Tee. Endlich setzte sie die Tasse ab und sagte: »Es begann damit, dass in Attaja, der südlichen Siedlung der Blühenden, ein Buch gefunden wurde.«
    »Ein Buch bei den Blühenden?«, fragte Mater Metaxa ungläubig. »Du glaubst, es gibt auf Gemora Blühende, die lesen können?«
    »Lesen und sogar schreiben, wie die Randbemerkungen auf einigen Seiten des Buches bezeugen.«
    »Vielleicht stammen diese Randbemerkungen aus längst vergangenen Tagen.«
    »Nein. Die Kommentare am Blattrand sind eindeutig neu. Sie wurden mit Schieferstiften ausgeführt, wie wir sie für Markierungen im Werk verwenden, und das in unterschiedlicher Handschrift. Das heißt, es haben mehrere Personen darin gelesen.«
    »Unglaublich! Ein Buch!«
    »Es handelt sich sogar um mehrere Bücher. Vermutlich wurden sie aus der Bibliothek des Ordens entwendet. Eine andere Erklärung gibt es nicht. Bei der sofort eingeleiteten Untersuchung stießen wir auf einen Blühenden namens Alkasar. Unter seiner Schlafstelle fanden wir zwei weitere Bücher und ein Rasiermesser.«
    »Ein was?«, fragte ich. Ich hatte das Wort noch nie gehört und glaubte nicht recht verstanden zu haben.
    »Ein Messer zum Bartabschneiden«, erklärte die Prinzipalin und strich sich mit der Hand über ihr Kinn, um der Ungeheuerlichkeit Gewicht zu verleihen.
    »Du meinst, ihm wuchs ein Bart? Man bekommt doch vom Lesen keinen Bart.«
    Nein, natürlich nicht. Aber vom Testosteron. Er ist ein Aussteiger. Es ist ihnen gelungen, die Purifikation zu umgehen.«
    »Wieso ihnen? Handelt es sich etwa um mehrere Blühende?«
    »Die beiden sind keine Blühenden mehr. Die beiden sind etwas, das es nicht gibt und niemals mehr geben darf: ein Paar – ein Mann und eine Frau.«
    Mater Mwraxa legte eine Redepause ein, um die Ungeheuerlichkeit auf uns wirken zu lassen. Ein paar Atemzüge herrschte Stille. Dann sagte sie:
    »Ein Krebsherd muss beseitigt werden, bevor er Metastasen bildet, die den gesamten Organismus gefährden. Wer seine vorpubertäre Unschuld abstreift, um sich verbotene Lust zu erschwindeln, wird kastriert. Wie aber lässt sich ein bücherlesender Möchtegernreifer in einen Analphabeten zurück verwandeln?«
    »Darüber werden wir morgen früh entscheiden«, sagte die Prinzipalin.

12. KAPITEL
    D ie Nacht neigte sich dem Ende

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