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Magna Mater - Roman

Magna Mater - Roman

Titel: Magna Mater - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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natürlich auch für die Toten.
    Bei dem Versuch, sich auf ihrer schwimmenden Plattform aufzurichten, um sich einen besseren Überblick zu verschaffen, verlor sie das Gleichgewicht und fiel ins Wasser. Doch bevor sie ausglitt, war ihr, als hätte sie eine Bewegung wahrgenommen, einen Gegenstand, schwarz wie ein großer Fisch. Oder war es ein Korb? Bevor sie erkennen konnte, was sich da vor ihr im Meer bewegte, vernahm sie das Planschen. Und je näher sie heranschwamm, desto deutlicher glaubte sie Stimmen zu vernehmen: Vogelgezwitscher? Nein, Delfine.
    Schwamm da nicht einer der Körbe aus der Brutstation? Wie wild er umherschaukelte. Und nun sah sie auch, was ihn in so heftige Bewegung versetzte. Es waren Delfine. Sie balgten sich um einen Gegenstand, balancierten ihn auf ihren Nasenspitzen, und wenn er ihnen entglitt und ins Wasser fiel, so stupsten sie ihn wieder nach oben, immer wieder.
    Sie waren so vertieft in ihr Spiel, dass sie die Gegenwart des Menschen nicht bemerkten. Das war ungewöhnlich, denn normalerweise kommen sie herbeigeschwommen, um mit den Badenden zu spielen. Und dann …,
    An dieser Stelle begann Mater Momo immer zu weinen, gleichgültig, wie oft sie von dem Wunder sprach. Und sie musste oft darüber sprechen. Alle wollten es hören, aus ihrem Mund.
    »… und dann erblickte ich das Kind! Es war wahrhaftig ein Kind, das die Delfine da aus dem Wasser hoben, immer wieder und ohne Ende, um den kleinen Menschen vor dem Ertrinken zu retten. Ein Wunder! Wahrhaftig ein Wunder!«
    So empfanden es viele. Aber keiner sprach es aus. Wir hatten ja den Wunderglauben abgeschafft.
    Der Orden verkündete, es handle sich um einen angeborenen Instinkt der Delfine, die bei der Unterwassergeburt ihre Jungen gemeinsam an die Wasseroberfläche heben würden, weil die sonst ertrinken müssten. Denn Delfine haben, wie jedermann weiß, keine Kiemen, sondern Lungen. Allein dieser Instinkt hat dem kleinen Menschenkind das Leben gerettet.
    Das mag wohl so sein, sagte ich mir, aber warum hatte keines der anderen Kinder diesen Mutterinstinkt der Delfine zu wecken vermocht?
    »Zufall«, sagte der Orden.
    Ich wusste es besser.
    Für ein paar wundervolle Tage war es mir vergönnt, mit meinem kleinen Sohn zusammenzuleben. Ich wiegte ihn auf meinen Armen und sang ihm alle Lieder, die ich kannte. Er blickte mich dabei mit seinen großen blauen Augen an, sprach aber selber kein Wort. War er noch zu klein, oder hatte er die Stimme verloren? So viel Mühe ich mir auch gab, es gelang mir nicht, ihn zum Sprechen zu bewegen. Umso lebendiger war die Sprache seiner Augen.

    21. KAPITEL
    A ls die Magna Mater den Saal betrat, erhoben sich die Mitglieder des Großen Rates, um der goldenen Maske ihren Respekt zu erweisen. Bevor sie sich an der Stirnwand des hohen Raumes auf dem Thron aus Muschelkalk niederließ, hob sie ihre Hand, um die Anwesenden zu segnen. Die Ordensfrauen erwiderten den Gruß mit einem Summton, wie ihn die Bienen beim Hochzeitsflug von sich geben.
    Ein Gong wurde angeschlagen, und dann verkündete der Sprecher der Magna Mater:
    »Stürme und Seebeben sind Seeland nicht fremd, aber eine Flutwelle von solcher Gewalt hat es, so weit wir zurückdenken können, noch nie gegeben. Was zerstört wurde, werden wir wiederaufbauen. Sorge bereitet uns der Verlust an Menschen. Zu viele hat uns das Meer entrissen.«
    Die Magna Mater richtete ihren Blick hinaus auf das Meer, dessen Wellen unterhalb der Großen Halle gegen die Felsen brandeten, und ließ den Sprecher sagen:
    »Stark wie das Meer ist der Mond, ist das Dunkel. Stärker als das Meer sind die Segel der Zeit.«
    Kraftvoll hallten die Worte in dem hohen Raum:
    »Viele Mondwechsel wird es dauern, bis es uns gelingt, diese Bresche wieder zu schließen, kostbare Zeit, in der wir besonders viele Hände für den Wiederaufbau benötigen. Aus diesem Grund müssen wir in Erwägung ziehen, die Lebenszeit der Blühenden zu verlängern.«
    Die Magna Mater legte eine längere Redepause ein, um ihren Vorschlag auf uns einwirken zu lassen. Allen war klar, dass eine Anhebung der Lebenszeit Probleme mit sich bringen würde. Es hatte Generationen gedauert, bis es der neuen Menschheit gelungen war, die vorpubertäre Jugendphase auf vierzig Jahre auszudehnen. Würde sie sich um weitere Jahre verlängern lassen, und, falls ja, welche Folgen würden sich daraus ergeben? Waren die Blühenden am Ende ihres Lebens noch fruchtbar genug, um den Nachwuchs sicherzustellen? Wenn sich der Tod der

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