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Magna Mater - Roman

Magna Mater - Roman

Titel: Magna Mater - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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Wasser schwamm, auf dem Trockenen lag.
    Schon wollte ich tiefer hinabsteigen, um das Wunder aus der Nähe in Augenschein zu nehmen, als ich den schmalen weißen Streifen am Horizont bemerkte. Er sah aus wie eine flache, lang gestreckte Wolke oder wie Meerschaum, der über dem davongleitenden Wasser schwebte. Er kam sehr rasch näher. Schon hörte man das Rauschen der heranrollenden Welle.
    Und was für eine gewaltige Welle!
    So wie man beim Heranfliegen eines Gegenstandes ohne lange nachzudenken die Augen schließt, so rannte ich, so schnell mich meine Beine trugen, die Treppe empor, zwei Stufen mit einem Schritt, stolperte, raffte mich auf und hetzte weiter, als liefe ich um mein Leben, und das tat ich dann wohl auch.
    Als ich keuchend vor Angst und Atemnot mein Haus erreichte, hörte ich hinter mir den tosenden Aufschlag der Riesenwelle gegen die Felswand der Insel. Der Boden unter meinen Füßen erzitterte wie bei einem Erdbeben.
    Ein wolkenbruchartiger Schwall von Wasser schwappte über den oberen Rand der Steilküste, verwüstete meinen Garten und riss mir die Füße unter dem Leib weg. Durchnässt und mit zerschundenen Knien rettete ich mich in mein Haus. Nicht auszudenken, was mit mir geschehen wäre, wenn mich die Welle unten am Ankerplatz erwischt hätte.
    Was aber war mit all den anderen geschehen, deren Inseln nur knapp über dem Meeresspiegel lagen?
    Die Ordensfrauen, die nicht weit von mir die Hänge des Bergrückens bewohnten, kamen herbeigeeilt, um nach mir zu sehen. Sie hatten befürchteten, ich sei dem Seebeben zum Opfer gefallen. Nun umarmten sie mich so freudig, als wäre ich von den Toten wiederauferstanden. Vom oberen Rand des Steilufers überblickten wir das Meer, das jetzt so ruhig dalag, als wäre nichts geschehen. Gleichmäßig wie immer rollten seine Wellen heran. Die Palmen, die heute Morgen noch ihre Wipfel zum Himmel gestreckt hatten, trieben mit den Planken meines zerschlagenen Bootes auf der trüben Gischt umher.
    An meinem Esstisch bildeten wir zu viert eine Art Krisenstab. Unsere Hilfe wurde dringend benötigt. Wie aber sollte die zum Einsatz kommen? Vermutlich hatte keines unserer Boote die Flutwelle heil überstanden. Ohne Boot jedoch konnten wir den Opfern auf den anderen Inseln nicht helfen.
    Zum Glück fanden sich dann aber in einer geschützten Bucht auf der Westseite der Halbinsel zwei Korallinboote, die das Seebeben überstanden hatten.
    Meine Ordensschwestern beschlossen, die Magna Mater aufzusuchen, um Anweisungen entgegenzunehmen. Ich dagegen wollte nach Urutawa. Sie versuchten, mich davon abzuhalten. Ich aber verteidigte meinen Vorsatz: Retten nicht selbst die Ameisen bei Lebensgefahr zuerst ihre Eier? Gibt es Wichtigeres als den Erhalt der Brut?
    Dabei dachte ich vor allem an mein Kind.
    Ich bekam, was ich wollte.
    Während der Bootsfahrt begegneten mir immer wieder Astwerk, Gesträuch und entwurzelte Bäume. Auf einer Platane hockte ein durchnässtes Eichhörnchen, das sich auf den schwankenden Stamm gerettet hatte. Nicht weit entfernt davon kauerte ein Marder. Für gewöhnlich Todfeinde, bangten sie jetzt gemeinsam um ihr Leben. Eine tote Ziege trieb an uns vorüber, ertrunkene Kaninchen und eine Schlange, den weißen Bauch zum Himmel gereckt. Die Wellen bewegten den schlanken Leib, als wollte sie noch davonschwimmen.
    Und dann erkannte ich die ersten Leichen. Mit dem Gesicht nach unten, die Arme weit von sich gestreckt, trieben sie auf dem Meer. Ihr Haar bewegte sich in der Bugwelle des Bootes wie Seetang. Sie waren nackt und voller Verletzungen. Zwischen den Schulterblättern der einen klaffte eine tiefe Wunde, so als wäre sie gegen einen scharfen Gegenstand geschleudert worden.
    Mich quälte während der ganzen Fahrt vor allem die Angst, Jakaranda könnte etwas geschehen sein.
    Je mehr ich mich den bewohnten Inseln näherte, desto mehr Tote sah ich zwischen dem Treibgut aus Brettern, bunten Stofffetzen, Sisalmatten, Kartons und Kisten. Ein Holzschuh schwamm vorüber, Stühle, denen die Wucht der Flut die Beine zerbrochen hatte. Und immer wieder Leichen.
    Gegen Mittag erreichte ich die Bucht von Urutawa. Der Landungssteg, an dem ich für gewöhnlich festmachte, war nicht mehr vorhanden. Die Flutwelle hatte ihn fortgespült. Von dem Kleinkinderhaus waren nur noch die Fundamente übrig geblieben. Schwarzer Schlamm bedeckte Grünanlagen und Wege. Ein paar Dachsparren ragten anklagend in den Himmel. Die höher gelegenen Steinhäuser standen zwar noch, aber an dem

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