Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Magna Mater - Roman

Magna Mater - Roman

Titel: Magna Mater - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
Vom Netzwerk:
Ganzes, dessen Teile alle miteinander in Wechselbeziehungen stehen. Die ganze Erde ist ein einziger Organismus, so wie der Bienenstock einer ist. Oberflächliche Beobachter glauben, eine Biene sei ein Einzelwesen, das da frei durch die Gegend fliegt. In Wirklichkeit aber ist die Biene allein nicht lebensfähig Das eigentliche Tier ist nicht die Biene, sondern der Bienenstock. Alle Waben sind miteinander vernetzt wie die Zellen eines Leibes. Aber nicht nur sie, sondern alle Bienenvölker sind auf geistiger Ebene miteinander verknüpft. Und das gilt nicht nur für die Bienen, sondern für alle Lebewesen. Die ganze Erde ist wie ein Lebewesen: eine Schöpfung der Mikroben, die auch alle durch eine übergeordnete Gruppenseele miteinander verbunden sind, so als wären sie ein einziger Organismus.«
    »Euer kleiner Gott«, sagte ich.
    Er nickte mit dem Kopf: »Ja, so nennen wir ihn. Er hat von der ersten Zellteilung an alles Leben erschaffen, er verkörpert das Leben im wahrsten Sinne des Wortes. So wie alle Materie aus Atomen besteht, so besteht alles Leben aus Mikroorganismen von unglaublicher Allmacht. So können Mikroben die Atmosphäre so beeinflussen, dass sich die Temperatur in gewissen Grenzen hält, die für den Erhalt des Lebens notwendig sind. Die ganze Erde ist dank der Mikroben ein lebendiges System, das sich wie ein Organismus selbst reguliert.«
    »Und die sprechen zu euch?« Mein Zweifel war nicht zu überhören.
    »Das ist keine Sinnestäuschung wie in den alten Religionen, wo es heißt: Und Gott sprach zu ihm. Das war kindlicher Wahn, wie Marienerscheinungen und Teufelsaustreibungen. Das wussten die Leute schon damals. Sie sagten: Einer, der mit Gott spricht, betet. Aber einer, der glaubt, Gott spreche zu ihm, ist verrückt.«
    »Und du bist dir sicher, ihr seid es nicht?«
    »Ja, so sicher wie die Bernsteinschnecke und die Ameise auf der Schafgarbe als Teil des Ganzen.«
    Wir gingen schweigend nebeneinander her. Dann sagte er: »Wir Menschen stehen nicht außerhalb der Natur. Wie kann man glauben, wir könnten die Natur bedrohen? Wir sind ein Teil von ihr, so wie meine Nase ein Teil von mir ist. Kann meine Nase meinen Leib bedrohen?«
    »Aber wir haben doch die Natur bedroht«, widersprach ich. »Die Zerstörung der Nordhalbkugel unserer Erde, die Klimakatastrophe, die Ausrottung ganzer Arten – das vermag doch niemand zu leugnen.«
    Er pflückte einen Halm Strandhafer und hielt ihn mir entgegen wie ein Beweisstück. »Bevor die ersten primitiven Pflanzen ins Leben gerufen wurden, gab es in der Atmosphäre so gut wie keinen Sauerstoff, dafür aber reichlich Kohlendioxid, den die Pflanzen, wie du weißt, für ihren Lebensprozess benötigen. Als Abfallprodukt wurde dabei Sauerstoff frei. Dieser Abfall reicherte sich in der Luft dermaßen an, dass die Pflanzen erstickt wären, wenn unsere Erde nicht ein unglaubliches Abgaskonzept entwickelt hätte.
    Eine völlig neue Gattung von Lebewesen trat auf den Plan, nämlich die Tiere. Ihr Stoffwechsel war so beschaffen, dass sie Sauerstoff benötigten und Kohlendioxid ausatmeten. Dieses fein ausgewogene Gleichgewicht funktioniert seit fast einer Milliarde Jahre, trotz erheblicher Verluste von Kohlenstoff durch Ablagerung in der Erde. Große Mengen kohlenstoffhaltiger pflanzlicher Substanz gehen so dem Kreislauf verloren, weil sie, von Sedimenten zugedeckt, in der Erde zu Kohle und Erdöl werden.
    Sie wären hier wohl für immer dem lebendigen Erdorganismus entzogen, wenn dieser nicht wieder eine neue Lebensform auf den Plan gerufen hätte: einen Zweibeiner, der wie manche Insekten zur Staatenbildung neigt und mit vereinten Kräften und mit besonderer technischer Begabung Schächte in die Erdrinde bohrt, um den verlorenen Kohlenstoff nach oben zu befördern und zu verbrennen, wodurch er wieder dahin gelangt, wohin er gehört.
    Seltsamerweise halten das manche Zweibeiner für widernatürliche Umweltverschmutzung. Wenn die Bienen in der Lage wären, moralische Skrupel zu empfinden, so würden vermutlich auch sie der Fehleinschätzung erliegen, sich selbst für Schmarotzer zu halten, die den armen Blütenpflanzen den Honig stehlen. Sie wüssten nicht, dass sie in Wahrheit eine ungemein wichtige Aufgabe zu erfüllen haben, nämlich den Erhalt der Blütenpflanzen.
    Beim Menschen liegen die Dinge ähnlich. Auch wir haben unsere Aufgabe im Gesamtorganismus der Schöpfung zu erfüllen.«
    Er sprach jetzt mit großem Pathos.
    »Der Vulkan, der mit einer einzigen Eruption die

Weitere Kostenlose Bücher