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Magna Mater - Roman

Magna Mater - Roman

Titel: Magna Mater - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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sein wie mir die Welt der Skarabäen. Für diese Männer waren alle Frauen Exoten, die hier angelandet wurden, um den Fortbestand der Menschheit zu garantieren. Obwohl Ordensfrauen und Skarabäen derselben Gemeinschaft angehörten, lebten wir in verschiedenen Welten. Wir gestalteten das Leben der Blühenden, erzogen und lenkten sie. Die Skarabäen hielten die beiden Enden unser aller Leben in ihren Händen: Tod und Geburt, Werden und Vergehen. Wir ergänzten einander wie Tag und Nacht und waren uns doch so fremd wie Feuer und Wasser.
    In meinen Träumen – und ich träumte viel in jenen Nächten unter freiem Himmel – waren die Igelköpfe fleischfressende Wilde, die mir nach dem Leben trachteten. Mal jagten sie mich im Rudel wie die Wölfe. Dann wieder lauerten sie als Riesenspinnen in klebrigen Netzen, krochen mir als Mikroben über und hinter die Augen, um sich in meinem Gehirn festzusetzen. Ich erwachte von meinem eigenen Schrei und fand dann keinen Schlaf mehr.
    In solch einer Nacht bin ich zum Hafen gelaufen, um nach einem Boot Ausschau zu halten. Die Sterne spiegelten sich im dunklen Wasser des Hafenbeckens. Auf dem Landungssteg lagen Paddel und sorgfältig zusammengerollte Schiffstaue. In einem Schuppen fand ich Fender und Anker. Aber nirgendwo entdeckte ich ein Boot.
    Ich erinnerte mich an ein Gespräch mit dem Bücherwurm. Wir hatten über Gemora und andere Inseln gesprochen. Er kannte keine.
    »Verspürst du nicht Lust, unsere kleine Inselwelt kennenzulernen?«
    »Nein. Warum?«
    »Reizt es dich nicht, Unbekanntes zu entdecken?«
    »Dazu muss ich nicht reisen. Hier umgibt mich so viel, das mich mit Staunen erfüllt.«
    Mir wurde klar, Skarabäen brauchen keine Boote.
    Beim Anblick der Palmenstämme, die ich in einem Lagerschuppen entdeckte, beschloss ich, mir ein Floß zu bauen. Doch dazu sollte es nicht kommen. Mitten in der Nacht fielen sie über mich her. Als ich aus dem Schlaf schreckte, kniete bereits einer der Männer auf mir. Eine Hand griff nach mir, wollte mich niederhalten. Ich stieß sie von mir, sprang auf und wollte davonlaufen. Doch sie waren schneller, warfen mich zu Boden. Ich biss, kratzte und schlug um mich. Es half mir nicht. Wehrlos wie ein entlaufenes und wieder eingefangenes Tier, wurde ich abgeführt, die Hände auf dem Rücken gefesselt.
    Noch in der Nacht wurde ich von Rufus zu Estragon gebracht.
    »Was soll das?«, herrschte der mich an. »Warum läufst du davon und versteckst dich vor uns in einer einsamen Bucht? Was hast du?«
    »Angst.«
    »Angst? Vor wem?«
    »Vor euch.«
    »Vor uns? Du hast Angst vor uns? Warum?«
    »Wie kannst du fragen?«
    »Ich frage, und ich erwarte eine Antwort.« Es klang zornig.
    »Ich weiß …«
    »Was weißt du?«
    »Ich weiß, was ihr mit mir vorhabt.«
    Estragon blickte mich so verständnislos an, dass ich nicht anders konnte, als ihm ins Gesicht zu schleudern: »Ihr wollt mich töten.«
    »Wer will das?«
    »Ihr.«
    »Wir?«
    »Ja, ihr. Ich war Zeuge, wie eure Leute meinen Tod geplant haben.«
    »Was hast du gehört?«
    Ich erzählte, was ich am Strand vernommen hatte, wiederholte es wortwörtlich. Estragon hörte mir aufmerksam zu. Dabei hoben sich seine Augenbrauen, als ginge ihm ein Licht auf. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. »Ein Missverständnis, nicht wahr, Rufus?«
    »Ja, ein Missverständnis.«
    »Aber ich habe es mit eigenen Ohren vernommen.«
    »Du hast recht gehört. Aber es betrifft nicht dich. Niemand trachtet dir nach dem Leben. Ich werde dir alles erklären, aber nicht jetzt und nicht hier. Du siehst abgezehrt aus und brauchst Schlaf.«
    Ich verschlief zwei ganze Tage. Dann hatte ich meine Selbstsicherheit zurückgewonnen. Aber der Gedanke an Flucht, der mich während all der Tage in der Bucht beherrscht hatte, ließ mich nicht mehr los. Ich wollte weg von hier, heim, so schnell wie möglich.
    Unruhe hatte unsere Schlucht ergriffen. Die Männer standen in Gruppen zusammen und redeten ungewohnt lebhaft miteinander, so als stünde ein aufregendes Ereignis bevor. Auf meine Frage erfuhr ich, dass mit dem nächsten Mondwechsel die Trommeln ertönen würden. Die Blühenden befänden sich schon auf den Inseln der Verwandlung. Hektik schlug mir von allen Seiten entgegen. Niemand nahm Notiz von mir. Keiner hatte Zeit für mich.
    Ich traf den Abt im Treppenhaus.
    »Ich muss dich sprechen. Ich will abreisen, noch heute.«
    »Fühlst du dich nicht wohl bei uns?«
    »Ich gehöre nicht hierher. Die Magna Mater …«
    »Die Magna Mater

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