Magna Mater - Roman
vor Freude. Als ich im ersten Morgenlicht erwachte, lag ich an seiner Brust.
Wir hatten einen Sohn, und er lebte.
Es oblag Karras, seinen Leuten die Wahrheit zu sagen. Eine Beichte, um die ich ihn nicht beneidete: Eine Ordensfrau, die mit einem Skarabäus einen Skarabäus gezeugt hat. Wie würde der Orden das hinnehmen?
Noch am selben Tag wurde ich zu Abt Estragon gerufen. Er erwartete mich stehend vor seinem Schreibpult.
»Was bist du nur für ein Mensch! Eine Ordensfrau, die ein Kind geboren hat, ein Wunderkind, dem der Himmel aus den Augen leuchtet, dem die Delfine zu Hilfe eilen, wenn andere ertrinken. Nicht von einer Blühenden ausgetragen, sondern von einer Reifen. Ich habe von alledem nichts gewusst, als er nach Arkadia geholt wurde. Die Aura des Ungewöhnlichen hat ihn zu uns geführt, so wie sie dich zu uns geführt hat.«
Er machte eine längere Pause, um den folgenden Worten Gewicht zu verleihen: »Es gibt kaum ein Gebot, das du nicht gebrochen hast. Das verlangt Sühne.« Er ging ein paar Schritte im Raum auf und ab, blieb vor mir stehen und sagte: »Im Schatten des Todes verblassen die Gesetze der Lebenden. Nicht alles, was in Seeland gilt, gilt auch für uns. Dieser noch nie da gewesene Fall bedingt noch nie da gewesene Rechtsprechung. Wir werden das intern klären.«
Ich fragte: »Und die Magna Mater?«
»Vergiss die Magna Mater.«
Heftiger Regen ging auf Arkadia nieder. Den ganzen Tag lang trommelten die Regentropfen gegen die Fensterscheiben. Schwarze Wolken spiegelten sich in modrigen Pfützen. Niemand wagte sich nach draußen. Selbst die Tauben hatten ihre Felsnester nicht verlassen. Ich begrüßte das Unwetter, denn ich fürchtete die Begegnung mit Jakaranda. Wie sollte ich mich benehmen? Und vor allem, wie würde er sich mir gegenüber verhalten?
Ich war so aufgeregt, dass ich in der Nacht keinen Schlaf fand.
Anderntags war der Himmel immer noch bewölkt. In der Luft lag der Duft von Pinien, Salbei und Eukalyptus. Anders als das ferne Meer war das Tal vollkommen still. Nur die Tauben gurrten, und ein paar von ihnen flogen mir entgegen, als ich nach draußen trat.
Die ersten Männer tauchten aus ihren Wohnhöhlen auf. Sie grüßten, wie sie es immer taten, mit einem Kopfnicken, schenkten mir aber mehr Aufmerksamkeit als sonst. So erschien es mir wenigstens.
Von Jakaranda keine Spur. Auch nicht von Karras. Im Garten unter den Dattelpalmen wurde schon eifrig gehackt und gegraben. Die Wildkräuterbüsche würden bald noch grüner sein und noch stärker duften. Und dann erblickte ich sie. Sie kamen mir entgegen, Hand in Hand, vor Kurzem noch enge Freunde, jetzt Blutsverwandte. Für sie war der Schritt nicht so groß wie für mich. Karras umarmte mich. Jakaranda gab mir die Hand. Es war das erste Mal, dass er das tat. Wie gern hätte ich ihn in die Arme genommen.
31. KAPITEL
I ch war bis zu der Meeresbucht gegangen, in der sich Attea versteckt gehalten hatte, bevor ihr die Flucht gelang. In der Nacht hatte es geregnet. Jetzt wanderte die Sonne über den blauen Himmel. Die frische Seeluft verwandelte sich allmählich in Sonnenglut. Ich streifte die Kleider ab und legte mich auf den warmen Boden. Dornengestrüpp umwucherte mich. Eine Brise vom Meer streichelte meinen nackten Leib. Ich lag mit geschlossenen Augen da und hörte auf das Schlagen der Wellen gegen die felsigen Klippen. Dahindämmernd, vernahm ich Stimmen. Sie kamen näher. Am Strand, keinen Steinwurf weit von mir entfernt, verweilten sie.
»Nichts als Schwierigkeiten.«
»Du sagst es«, erwiderte die zweite Stimme. »Frauen sind komplizierte Geschöpfe.«
»Und du meinst, sie muss sterben?«
»Ja, sie wird sterben.«
Schweigen. Wellenschlag.
»Und was machen wir mit der Leiche?«
»Kommt ins Tal der Schmetterlinge.«
»So viel Aufwand für eine Tote.«
Schritte im Sand. Sie entfernten sich. Die Stimmen verwehten. Trotz der Sonnenwärme lief es mir eiskalt den Rücken hinunter. Ich hatte soeben mein Todesurteil vernommen. Sie wird sterben. Damit konnte nur ich gemeint sein. Es gab keine andere Frau auf der Insel. Ich musste fort von hier. So schnell wie möglich. Der Schreck war mir so in die Glieder gefahren, dass ich mich ein paar Atemzüge lang nicht zu bewegen vermochte. Was nun?
Zurück konnte ich nicht. Weg, nur weg, doch wohin?
Es wurde Abend. Die Sonne versank im Meer. Ich befand mich noch immer in der Bucht, kauerte unter dem Felsvorsprung, unter den Attea sich geflüchtet hatte. Ich musste an sie denken, sah
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