Magnolia Haven 02 - Mittagsglut
erklärte Carol eines Abends. »Du könntest noch viel mehr daraus machen.«
»Das habe ich mir inzwischen auch überlegt, dazu bräuchte ich allerdings einen Führerschein. Ich müsste hier nach Plains fahren, und ab und zu nach Lubbock, um Stoffe und anderes Zubehör einzukaufen. Ich kann von Jake nicht erwarten, dass er mich dauernd hin und her fährt.«
»Das ist doch kein Problem, die Prüfung schaffst du bestimmt ganz locker.«
»Ja, aber ich habe kein Geld für Fahrstunden und Jake möchte ich nicht bitten, er hat sowieso schon genug zu tun.«
»Hm«, Carol überlegte einen Moment, »was hältst du davon, wenn ich Steve frage? Er hat mir auch das Fahren beigebracht und würde das bestimmt gerne machen. Du kannst ihn ja bezahlen, sobald du mit deinen Näharbeiten ein wenig mehr verdienst.«
Mit Unbehagen erinnerte Joanna sich an Jakes Reaktion auf ihr Herumgealber mit Steve und wollte erst ablehnen. Doch dann dachte sie an Jakes Drohung, sie nach der Geburt des Kindes wegzuschicken. Falls er das wirklich wahr machte, könnte es nicht schaden, ein paar Dollar beiseitezulegen, damit sie nicht ganz ohne Geld dastand.
»In Ordnung«, stimmte sie also zu, »ich würde mich freuen, wenn er dazu bereit wäre.«
Gleich am nächsten Tag erschien Steve, und ein bisschen nervös setzte Joanna sich hinters Steuer seines Pick-ups.
Im selben Moment schossen Bilder durch ihren Kopf, sie sah sich in Toms Auto sitzen und nach Millington fahren, in der Nacht, als sie gedacht hatte, sie hätte ihn umgebracht.
Schweiß brach ihr aus und ein leises, gequältes Stöhnen kam aus ihrem Mund.
»Joanna, was ist los?«, fragte Steve erschrocken. »Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen – fühlst du dich nicht gut?«
»Doch, doch, alles okay«, beruhigte sie ihn schnell und atmete ein paar Mal tief ein und aus. »Es geht schon wieder, mir war nur gerade ein bisschen komisch, muss wohl an der Schwangerschaft liegen.«
»Wenn du dich nicht wohlfühlst, kann ich auch morgen wiederkommen«, schlug er besorgt vor.
»Nein, lass uns ruhig anfangen. Je eher ich das hinter mich bringe, desto besser.«
Steve nickte und erklärte ihr zunächst in Ruhe die Bedienung des Fahrzeugs. Da es sich um ein Automatikgetriebe handelte, brauchte sie sich nicht großartig mit Kupplung und Schaltung abmühen, und das Fahren klappte ganz gut. Langsam kurvte sie auf den holperigen Wegen zwischen den Feldern entlang, und wie schon während des Anbaus am Haus alberten sie nebenbei ein bisschen herum.
Im Anschluss an die Fahrstunden saßen sie oft noch auf der Veranda und lernten für die theoretische Prüfung, was dank Joannas schneller Auffassungsgabe auch kein Problem war.
Steve war ein geduldiger Lehrer, er wurde nicht müde, ihre Fragen zu beantworten, und Joanna fühlte sich in seiner Gesellschaft so entspannt und locker wie schon lange nicht mehr.
Mit finsterem Gesicht verfolgte Jake das Geschehen, es war ihm deutlich anzumerken, dass ihm das Ganze überhaupt nicht gefiel. Er sagte jedoch nichts, verschanzte sich weiterhin hinter seiner Wand aus Kälte und Unnahbarkeit und reagierte seinen Ärger bei der Arbeit auf den Feldern ab.
»Steve meint, ich wäre so weit, dass ich zur Prüfung gehen kann«, erzählte Joanna ihm eine Woche später arglos beim Abendessen.
»Tja, wenn Steve das meint, wird es wohl so sein«, sagte Jake gedehnt. »Er scheint ja wirklich ein guter Lehrer zu sein – was bringt er dir denn sonst noch so bei?«
»Hör auf damit«, erwiderte sie scharf. »Du weißt genau, das da nichts ist.«
Gleichgültig zuckte er mit den Achseln. »Und wenn schon, es interessiert mich nicht.«
»Das hat sich aber nicht danach angehört.«
»Du hättest mich genauso gut bitten können, dir das Fahren zu zeigen, es wäre kein Problem gewesen.«
Seine Stimme klang verletzt, und sie schluckte.
»Wie sollte ich denn?«, fragte sie leise. »Du hast gesagt, ich hätte nichts mehr von dir zu erwarten.«
Mit einer heftigen Bewegung schob er seinen Teller weg und stand auf. »Richtig, und dabei belassen wir es auch.«
Tatsächlich schaffte Joanna es ohne Probleme, die Prüfung zu bestehen. Als sie gleich am nächsten Tag mit Jakes Auto alleine nach Plains fuhr, um einige Näharbeiten anzunehmen, fühlte sie sich zum ersten Mal frei und unabhängig.
In den folgenden Tagen stürzte sie sich mit Feuereifer in ihre Arbeit. Sie schneiderte und nähte, so oft sie Zeit hatte, und nach und nach zweigte sie von ihrem Verdienst ein
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