Magnolia Steel – Hexennebel
mit Stefanie, ihrer Bewunderin und engsten Vertrauten. Die zwei sahen zu Magnolia herüber und kicherten. »Wer liest die nächste Aufgabe vor?«, wollte Frau Brummund wissen. Wieder schnellte Magnolias Finger in die Luft. »Ja, Stefanie!«
Magnolia schluckte. Die Sache wurde eng. Jetzt hatte sie nur noch eine Aufgabe, die sie vorlesen konnte. Frau Brummund sah sich fragend in der Klasse um, und Magnolia schnippte sofort wie wild mit den Fingern. »Magnolia!«
Ihr fiel ein Stein vom Herzen. Eifrig las sie die Aufgabe vor. »Sehr gut«, lobte ihre Lehrerin. »Ist doch gar nicht so schwer, oder?«
Magnolia lächelte verlegen und drehte sich zu Daniel um. »Danke«, formten ihre Lippen.
Jetzt meldete sich Samantha erneut. »Könnte Magnolia vielleichtauch die nächste Aufgabe vorlesen? Sie macht das so gut. Ich habe eben zum ersten Mal den Lösungsweg verstanden«, fragte sie zuckersüß. Frau Brummund lächelte, und Magnolia drehte sich blitzschnell zu Samantha um. »Du kannst sämtliche Lösungswege in der Pause von mir abschreiben, dann kann ich sie dir auch gleich erklären«, antwortete sie mindestens ebenso süß. Erstaunlicherweise gab Frau Brummund sich damit zufrieden und nahm jemand anderen dran.
»Das hat Samantha mit Absicht gemacht«, schimpfte Magnolia in der Pause.
Birte und Merle nickten. »Davon kannst du ausgehen.«
»Warum lässt du diese Notleuchte auch von dir abschreiben?«, fragte Magnolia gereizt.
»He, ich habe nicht so viel gegen sie. Und sie hat halt als Erste gefragt«, gab Merle beleidigt zurück.
Auf dem Heimweg warf Magnolia einen kurzen Blick auf den leer stehenden Laden von Anatol Tott. Er war ein Handlanger des unheimlichen Graf Raptus gewesen, und die Zwerge hatten ihn damals gezwungen, den Laden aufzugeben und Rauschwald zu verlassen, nachdem der Blutschlürfer besiegt war. Seitdem stand das Geschäft leer.
Jetzt war die Ladentür jedoch weit geöffnet, und Möbelpacker schleppten Kisten und Kartons hinein. Magnolia war gespannt, was für ein Geschäft dort wohl einziehen würde.
Es ging leicht bergauf, und die junge Hexe trat kräftig in die Pedalen. Schwungvoll bog sie in den schlaglochgepflasterten Weg ein, der zum Haus ihrer Tante führte, und hätte dabei um ein Haar zwei winzige Blumenelfen zwischen die Speichen bekommen. Sie bremste so stark, dass sie fast vom Rad fiel. Die zierlichen Wesen mühten sich mit einem Stängel Flachs ab und waren ganz offensichtlich auf dem Weg zu Tante Linettes Haus. Langsam radelte Magnolia weiter und wunderte sich nicht schlecht, als sie eine lange Warteschlange vor dem Garten ihrer Tante erblickte.
Feen, Zwerge, Hexen und vor allem Kobolde standen ungeordnet in Zweier- und Dreierreihen an, und jeder hatte mindestens einen Armvoll Stroh mitgebracht. Anstatt wie üblich ihr Rad in der Brombeerhecke zu parken, stellte Magnolia es diesmal zwischen die drei Eichen neben dem Haus. Dann bahnte sie sich einen Weg durch die Menge. Die unfreundlichen Kommentare überhörte sie ganz einfach. »Entschuldigung, darf ich mal durch? Entschuldigung!«
»He, was drängelt die Bohnenstange da so frech? Kann sie sich nicht hinten anstellen?«
»Entschuldigung, darf ich mal …«
»Ja, hinten ist das Ende!« »Wir müssen alle warten!« Ellenbogen trafen Magnolia schmerzhaft an der Wade. »Gibt es Probleme?« Ein dicker Zwerg, den Magnolia zuvor noch nie gesehen hatte, stellte sich ihr in den Weg. Unbeirrt kämpfte sich Magnolia voran. »Entschuldigung!«
»Pass mal auf, Süße!«, dröhnte da eine große Hexe mit einem noch größeren Hut. »Wenn du dich nicht bei drei hinten anstellst, zünde ich einen Feuerdrachen unter deinem Hintern und verwandle dich in einen Fliegenpilz. Verstanden?« Drohend funkelte sie Magnolia an. »Also, was ist? Eins, zwei …«
»Ich wohne hier, wenn es Ihnen nichts ausmacht!«, fauchte Magnolia und hatte endlich die Gartenpforte erreicht. Doch, oh Schreck! Die Pforte ließ sich nicht öffnen. Ein großes Schild hing daran: Praxis geschlossen! Heute kein Wahrsagen, Handauflegen oder Rückführungen! Von 15 – 18 Uhr große Flachs-Expertise! Kosten: 7,- Euro!
Magnolia wurde nervös. »Tante Linette!«, rief sie ängstlich und rüttelte an der verschlossenen Pforte. Schon spürte sie eine knöcherne Hand auf ihrer Schulter. »Tante Linette!!!« Ihre Stimme wurde lauter. »Tante …«
Da tauchte Jeppe mit einem Schlüsselbund auf und öffnete die schmiedeeiserne Pforte. Erleichtert schlüpfte sie hinein,
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