Magnolia Steel – Hexennebel
ihnen augenblicklich das Wort ab. »Ihr legt eure Köpfe auf die Knie und haltet euch die Ohren zu. Verstanden?«
Unwilliges Grummeln setzte ein. »Wehe, einer von euch schaut auf. Wir haben heute Abend anderes zu tun, als Schocks und Panikattacken zu behandeln.«
»Aber …«, versuchte Konrad es.
»Kein Aber!«
»Ich habe eine Spezialbrille«, riskierte Konrad es trotzdem. »Meine Großmutter …«
»Dann setz deine Spezialbrille auf, Konrad Korona!«, unterbrach Linette ihn. »Mir ist alles recht, solange du deinen Kopf auf den Knien behältst. Verstanden?« Mit diesen Worten ließ sie die verdutzten Zauberschüler allein und marschierte schnurstracks auf Runa los, die mitten im Gewühl auf sie wartete.
»Verdammter Mist«, stöhnte Magnolia. »Da hat man schon mal die Gelegenheit, die ›Wilde Jagd‹ zu sehen, und dann wird es einem prompt verboten! Tante Linette ist so eine Spielverderberin.«
Der Protest der anderen hielt sich seltsamerweise in Grenzen.
»War schon klar«, sagte Nemo.
»Es ist sicher besser, wir tun, was deine Tante sagt«, meinte auch Jörna. »Mit der ›Wilden Jagd‹ ist nicht zu spaßen. Es hat seinen Grund, weshalb Kinder in der Walpurgisnacht zu Hause bleiben sollen. Die Gefahr, dem Wilden Heer zu begegnen und den Verstand zu verlieren, ist einfach zu groß.«
»Den Verstand verlieren?«
Jörna nickte. »Hast du das nicht gewusst?«
Magnolia schüttelte den Kopf. »Ich bin doch selbst eine Windsbraut und darf später mit der ›Wilden Jagd‹ über den Himmel ziehen, wenn ich Lust darauf habe.«
Jörna zuckte die Schultern. »Ich würde es nicht darauf ankommen lassen.«
Es gab einen tiefen, lang gezogenen Ton, und alle Anwesenden begaben sich auf ihre Plätze. Magnolia und Jörna saßen neben ihren Mitschülern in der vorletzten Reihe und warteten darauf, dass der Hexenrat im Halbkreis hinter den drei goldenen Sesseln auf der Tribüne Platz nahm.
»Meinst du, dass sie noch kommen?«, fragte Magnolia nervös.
Jörna wusste genau, um wen es ging, und grinste. »Das will ich doch stark hoffen. Die Hose hat ein Vermögen gekostet.«
Magnolia sah sich um. An allen Seiten des Festplatzes nahmen plötzlich Waldmänner Aufstellung. Sie waren in Felle gekleidet und trugen Hirschgeweihe auf dem Kopf. Magnolia hatte schon von ihnen gehört. Sie lebten hoch im Norden und waren extra für diesen Abend angereist. Erneut ertönte der dunkle, lang gezogene Ton, und Pestilla, die Oberhexe, nahm ihren Platz auf der Tribüne ein. Sie sah wie immer außerordentlich stattlich und würdevoll aus.
Da stieß Jörna Magnolia in die Rippen. »Sie sind da!«, raunte sie.
Magnolia reckte den Hals. Und wirklich, aus dem Wald hinter ihremRücken trat eine Gruppe Elfen auf die Lichtung. Es waren beeindruckende Gestalten. Sofort suchte ihr Blick nach Leander. Er sah umwerfend aus. Überhaupt hatte Magnolia noch nie so viele gut aussehende Wesen auf einem Haufen gesehen. Das Alter schien bei ihnen keine Rolle zu spielen, und sie trugen ihre Festgewänder wie Könige. Auf der Stelle stellte sie sich die Frage, warum sich Leander ausgerechnet in sie verliebt hatte.
Erneut ertönte eine Fanfare, und zwei Feuervögel stolzierten über den Festplatz. Hinter ihnen folgten die Wohnwagen der drei Spinnerinnen. Columbina saß auf dem Kutschbock des ersten Wagens und ließ es sich nicht nehmen, die große Glocke zu läuten, genau wie bei ihrer Ankunft. Mohnblüte, Tokker und Löwenherz hatten Mühe, den langsamen Feuervögeln nicht auf ihre lodernden Schwanzfedern zu treten. Dann waren sie vor der Tribüne angekommen, und die Spinnerinnen nahmen unter donnerndem Applaus ihre Plätze ein.
»Lasst die Show beginnen«, flüsterte Jörna.
Und die ließ nicht lange auf sich warten.
Achtzehntes Kapitel
Hexenküsse
Sonderbare Töne zogen über den Platz. Luftstimmen, die aus der Höhe herabstiegen und aus allen Richtungen gleichzeitig zu kommen schienen.
Magnolia hörte das Bellen von Hunden, das Wiehern von Pferden und das Grunzen von Schweinen. Dazwischen mischten sich Gewehrschüsse und die wilden Rufe von Jägern. Ein Sturm fegte über den Festplatz.
Genau wie ihre Mitschüler saß Magnolia nach vorn gebeugt und presste die Hände auf ihre Ohren. Den Lärm konnte sie trotzdem nicht ausschalten. Es klang, als würden Bäume zu Boden gerissen. Es krachte, knirschte und fetzte. Irgendwann hielt Magnolia es nicht länger aus. Sie musste sehen, was um sie herum vor sich ging. Neugierig richtete sie sich
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