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Magnolienschlaf - Roman

Magnolienschlaf - Roman

Titel: Magnolienschlaf - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Baronsky
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sondern funktioniert, wie ihr Körper es tun
     sollte, und den alle loben, als sei Wilhelmine gerade drei Jahre alt.
    Wie soll sie dem Mädchen das nur zumuten? Das ist das Schlimmste, diese Scham. Wenn die Würde verlorengeht, bleibt nichts
     als Scham und Abscheu vor dem eigenen Körper, Wut und die grenzenlose Hoffnung, dass es endlich vorbei sein möge. Die Augen
     brennen. Wenn sie doch weinen könnte, aber die Tränen sitzen zu tief.
     
    Nach einer Ewigkeit schlägt draußen eine Autotür. Wilhelmine zittert am ganzen Körper, riecht und spürt mit Ekel die nasskalte
     Lache, in der sie liegt. O Gott, wenn nur Karin nicht heraufkommt! Vorsichtig zieht Wilhelmine mit der sauberen Hand die Decke
     glatt, vielleicht kann sie es eine Weile verbergen.
    Sie liegt, wartet, wagt nicht zu rufen. Dann endlich sind Lisas Schritte auf der Treppe zu hören, und das vertrauteSchokoladenhaar erscheint im Spalt zwischen Rahmen und Tür. Es dauert, bis Wilhelmine ihre Sprache wiederfindet.
    »Fräulein Lisa. Es … es tut mir so leid. Ach … wie gut, dass Sie kommen.«
    »Was ist?«
    Wilhelmine wagt nur ein Flüstern. »Ach ich … ich glaube, es ist … ein bisschen was danebengegangen.«
    Mit raschem Griff und ohne eine Miene zu verziehen, holt Lisa Handtücher aus dem Bad, und ehe Wilhelmine weiß, wie ihr geschieht,
     hat Lisa sie auf Alberts Bett gepackt und das Laken abgezogen. Wilhelmine wagt nicht, das Mädchen anzusehen, während die ihr
     die Beine anwinkelt und die verdreckte Unterhose abstreift. Wilhelmine wendet den Kopf, versucht sich vorzustellen, dass sie
     durch den Garten liefe, zwischen den duftenden Rosensträuchern hindurch, die Sonnenstrahlen auf der Haut spürte, doch es gelingt
     ihr nicht, zu deutlich packt die kräftige Hand des Mädchens zu, hebt ihr ein Bein nach dem anderen an und fährt mit dem Waschlappen
     daran entlang, über den Po, die Scham. Wilhelmine hält die Augen fest geschlossen. Wenn sie doch Tränen hätte.
    »Entschuldigen Sie bitte, Fräulein Lisa, ich wollte nicht …«
    »Ist ja gut, nicht schlimm, ich mache alles weg, und fertig.«
    Mit einem tiefen Seufzer sinkt Wilhelmine in die Kissen zurück. Ein gutes Mädchen, Wilhelmine schickt ihr ein vorsichtiges
     Lächeln. Was würde sie ihr alles sagen wollen, wenn sie könnte?
     
    Erst nach dem Essen tastet Wilhelmine nach Lisas Fingern, streichelt sanft über die feste, warme Haut. »Ach, Kind, das hat
     aber geschmeckt. Sie sind ja so gut zu mir.« Sie hat ihr Butternudeln mit Haschee gebracht, das hat Wilhelmine seit Ewigkeiten
     nicht mehr gegessen.
    »Ich heiße Lisa.« Das Mädchen lächelt matt, entzieht ihr ohne Hast die Hand und stellt das Geschirr beiseite. Kommentarlos
     rückt sie den Toilettenstuhl ans Bett. »Wollen Sie?«
    »Ach bitte, ja.« Wilhelmine nickt, wieder kommt Scham über sie, doch Lisas Blick verrät nichts vom Malheur des Morgens, mit
     Umsicht hilft sie ihr zum Stuhl, beinahe hat es den Anschein, als könnte Wilhelmine selbst auf ihren Beinen stehen. Noch ehe
     sie nachhelfen kann, rutscht der Schlüpfer herab, er ist weit geworden, entsetzlich weit. »Danke, Kind.« Sie lässt sich nieder,
     beobachtet Lisa, wie sie die Balkontür einen Spalt öffnet, sich hinauswindet und Wilhelmines Bettdecke vor dem schmiedeeisernen
     Geländer ausschüttelt, die Tür dann rasch wieder schließt, es ist noch immer beißend kalt draußen.
    Das Telefon dröhnt. Läutet jenen durchdringenden Dreiklang, an den Wilhelmine sich nicht gewöhnen kann, jedes Mal erschrickt
     sie über das Geräusch, das sie an einen herannahenden Krankenwagen erinnert. Karin hat ihr den Apparat mitgebracht, der alte
     grüne mit der Wählscheibe war Wilhelmine lieber, der stand unten, auf der Truhe in der Diele. »Da kommst du doch gar nicht
     mehr ran, Tante Minchen«, hat Karin gesagt. Natürlich hat sie recht, die Karin, aber wann klingelt bei Wilhelmine schon das
     Telefon?
    Über Alberts Bett gebeugt, angelt das Mädchen das Martinshorn aus der Bettritze und bringt es zu Wilhelmine herüber.
    Wilhelmine schüttelt den Kopf, wehrt mit den Händen ab, nein, man kann doch nicht mit jemandem telefonieren, während man auf
     der Toilette sitzt, das schickt sich wirklich nicht. »Gehen Sie doch bitte ran, Fräulein Lisa, das wird Karin sein.«
    Lisa drückt routiniert die Taste, die Wilhelmine stets vergisst, das Ding ist so ungewohnt, früher musste sie auch nur den
     Hörer von der Gabel nehmen.
    Dann spricht Lisa.
    Lachend spricht sie in

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