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Magnolienschlaf - Roman

Magnolienschlaf - Roman

Titel: Magnolienschlaf - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Baronsky
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gedämpftem Klang
     schlägt das Porzellan einen Salto. Schon ist das Weib bei ihr, packt das Tablett und reißt es ihr vom Schoß. »Du kriegst kein
     Essen mehr heute.«
    Wilhelmine hört sie die Treppe hinabpoltern. Eine wunde Genugtuung macht sich in ihrem Inneren breit. Auf dem Teppich liegt
     noch immer die Schale, der Fleck auf ihrer Bettdecke ist kalt geworden. Wieder tastet sie nach der Klingel, und wieder hält
     sie den Finger darauf, bis die Tür aufgestoßen wird.
    »Mach das sauber, Russin!«
    »Poschla ty na chui.«
    Sie hat den blauen Putzeimer mitgebracht und stapft ins Bad, lässt Wasser laufen. Dann kommt sie zurück, kniet sich auf den
     Teppich und sammelt Gemüsestückchen auf, reibt mit dem Scheuerlappen über die dunklen Brüheflecke.
    Wilhelmine atmet tief. Ihr Kopf sinkt auf das Kissen zurück, und aus den Augenwinkeln betrachtet sie das Russenweib. Sie kann
     förmlich den feuchten Flor des Teppichs fühlen, das Putzwasser brennt in den schrundigen Hautrissen auf ihren Fingerknöcheln.
     Wieder und wieder taucht Wilhelmine den Putzlappen ein, wringt ihn und scheuert über den Teppich. Obwohl der Frühlingswind
     durch die glaslosen Fenster weht, hängt der Geruch nach Männerpisse in der Luft, es würgt Wilhelmine in der Kehle. Sie hat
     doch extra den Eimer vor die Türe gestellt. Wenn sie schon die Toilette nicht benutzen … Tiere sind das! Wilhelmine wringt
     und schrubbt, entdeckt wieder ein Brandloch, wo einer seine Zigarette ausgetreten hat.
    »So ein Schweinerei!«
    Wilhelmine schrickt auf. Schnaubend verschwindet die Russin im Badezimmer, man kann hören, wie sie den Toilettendeckel aufklappt
     und den Putzeimer in die Kloschüssel leert.
    Der Fernseher! Sie muss ihr den Fernseher wieder in Ordnung bringen.
    »Mach das Kabel wieder rein, Russin. Ich will fernsehen.« Unter der Bettdecke knüllt Wilhelmine den Stoff ihres Nachthemdes
     zusammen. »Sonst rufe ich Karin an.«
    Das Mädchen kommt, presst die Lippen zusammen und starrt Wilhelmine sekundenlang an. Völlig unvermittelt lässt sie den Eimer
     fallen und geht zum Schrank. Bückt sich. Nimmt die Schatulle. Greift hinein, und dieses Mal holt sie es heraus, das Säckchen,
     das gelbe Säckchen, das ganz unten liegt, dreht es um, und die kleine Silberkette gleitet heraus.
    Wilhelmine starrt auf den Anhänger, der an der Russenhand hin- und herschwingt, und der Anblick nimmt ihr endgültig die Luft.
     »Nein!« Sie packt sich an den Hals, doch da ist nichts als bloße, faltige Haut, nur ihr Herz kann sie fühlen, die Schläge
     schmerzen unter ihren Fingern. »Nicht anfassen!« Kaum mehr als ein Japsen. »Nicht das!«
    Wilhelmine hört nicht, was die Russin murmelt, liegt starr, nur das Hämmern ihres Herzens schüttelt sie in einem gnadenlosen
     Takt.

Das irre Wimmern der Alten ist verstummt, Jelisawetas Beklemmung will dennoch nicht weichen. Leiser, als sie es vorgehabt
     hat, steigt sie die Treppe hinunter. Wie nach einem Kinderspiel, das man zu weit getrieben hat, ist der ganze Zorn verschwunden.
     Gegen den Küchentisch gelehnt, fingert sie nach dem kurzen Silberkettchen in ihrer Jeans, zieht es heraus und betrachtet den
     schwarz verfärbten Anhänger. Es ist keines von diesen kitschigen Täubchen, die Hochzeitstorten zieren und Liebesgrußkarten
     schmücken, sondern ein schlankes, elegantes Tier mit weit ausgebreiteten Flügeln. Mit dem violetten Tuch, mit dem sie das
     Silberbesteck poliert hat, reibt sie den kleinen Vogel, bis er zu glänzen beginnt, nur in den feinen Ziselierungen bleiben
     schwarze Schatten zurück und lassen den schmalen Ring um den Taubenhals erkennen. Auch in die Flügel sind zarte Federn graviert.
     Wer mag der Alten das geschenkt haben? Der mausetote Ehemann, dessen Initialen noch immer in das Messingschild an derHaustür graviert sind? Oder eine verflossene Liebschaft? Jelisaweta tritt vor den Garderobenspiegel in der Diele und legt
     sich die Kette an. Sie reicht kaum um ihren Hals. Das ist die Kette eines Kindes, denkt Jelisaweta und lässt sie langsam durch
     ihre Finger gleiten.
    Tante Minchen hat keine Kinder.
    Etwas Unbestimmbares schnürt ihr den Hals ein, als läge das zu kurze Kettchen noch immer darum. Sie dreht die Taube zwischen
     ihren Fingern. Das ist nichts, sagt sie sich, nichts weiter als ein kleiner Anhänger, vielleicht noch aus der Kinderzeit der
     Alten selbst. Sie schlägt ihn in ein Stück Küchenpapier ein und verbirgt ihn in der Puddingdose. Noch bevor das

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