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Magnolienschlaf - Roman

Magnolienschlaf - Roman

Titel: Magnolienschlaf - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Baronsky
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wo sie im Bilde ist? Sie starrt auf das Telefon in ihrer Hand, sieht zum Fernseher. Obwohl ihre Brust
     sich zusammenzieht, drückt sie schließlich die Zahlen in den Hörer hinein.
     
    Ein Gruß steht dieser Verräterin nicht zu. »Gib mir den Dieter!«
    »Was ist denn los, Minchen?« Karins Stimme ist ein erhobener Knüppel.
    »Den Dieter!«
    »Der ist weg bis morgen, was willst du denn so Wichtiges von ihm?«
    Wilhelmine schweigt. Sieht den Fernseher, spürt die enge Brust. »Der Fernseher«, bringt sie schließlich hervor. »Der ist kaputt.«
    Karin stöhnt. »Das kann nicht sein, Minchen, der Techniker hat gestern alles überprüft. Du wirst irgendwo falsch gedrückt
     haben.«
    »Aber gestern ging er. Und jetzt rauscht es nur.«
    »Mein Gott, da kann ich auch nichts machen, dann musst du eben bis morgen warten. Jetzt hast du wochenlang keinen Fernseher
     gehabt, da wird es auch noch einen Tag ohne gehen.«
    »Nein!« Wilhelmines Augen werden Schlitze. Sie ist es, die den Knüppel hält. »Dann soll der Fernsehmann noch mal kommen.«
    »Du spinnst wohl, Minchen, weißt du, was das kostet, wenn der jedes Mal anrollt, nur weil du den falschen Knopf gedrückt hast?«
    »Das kümmert mich nicht, was es kostet, ich möchte, dass er repariert wird.«
    »Na, du musst es ja auch nicht bezahlen!«
    »Du auch nicht, nimmst ja das Geld von der Krankenkasse!«
    Wilhelmine atmet aus, das Gespräch gehört ihr. »Der Mann soll kommen, gleich.«
    »Ach, jetzt mach nicht so ein Tamtam, wir kriegen das Ding schon wieder in Gang, Tante Minchen.« Karin legt schneller auf,
     als Wilhelmine sich verabschieden kann.
    Wilhelmine sinkt in sich zusammen. Mit schweißnassen Händen knetet sie den Bettbezug.
    Noch vor dem Mittagessen klingelt es, der junge Mann, der gestern den Apparat gebracht hat, schaut zur Türe herein. Er lacht
     sie an. Es ist ein schönes Lachen.
    »So, jetzt müsste er wieder gehen.« Er kniet sich vor den Fernseher und drückt daran herum, eine blonde Frau erscheint auf
     dem Bildschirm. Er nickt, schaltet den Apparat wieder aus. »Alles o.k., Frau Hennemann, da war nur das Kabel draußen.«
    Noch ehe Wilhelmine ihm danken kann, ist er verschwunden, sie hört nur das Brummen eines Autos, es wird leiser, schließlich
     still. Das Kabel. Welches Kabel? Dann fällt ihr das weiße Ding mit dem schmalen Stecker ein. Einmal ist Wilhelmine mit dem
     Staubsauger daran hängengeblieben und hat es herausgerissen, da hat es genauso auf dem Bildschirm geschneit. Erleichtert nimmt
     sie die Fernbedienung und drückt auf die Eins, wieder die blonde Frau, sie stellt einem jungen Mann Fragen. Wilhelmine schaltet
     weiter, der Ton wird leiser, das muss der falsche Knopf gewesen sein, unsicher drückt sie den nächsten, es wird lauter, sehr
     laut, endlich hat sie ein anderes Programm gefunden. Zwei Männer in einem Auto, es hat den Anschein, als seien sie jemandem
     auf den Fersen.
    Wilhelmine muss sich anstrengen, um alles mitzubekommen, sie merkt kaum, dass die Russin kommt, ihr das Kissen in den Rücken
     packt und das Tischchen über den Schoß stellt. Beinahe vergnügt bricht sie ein Stück Brot ab, taucht es in die Suppe und schiebt
     es sich in den Mund. Jäh reißt das Bild auseinander, und schwarzweißer Schnee macht sich breit. Sie schreckt auf, sieht sich
     um, die Russin ist gegangen. Das Kabel. Mit einem Schlag wird ihr klar, dass es nur die Russin sein kann, und wieder spürt
     sie die Ohnmacht, dahinter nichts als blanken Zorn. Sofort ballt Wilhelmine die Faust um die Klingel und hält den Knopf gedrückt.
     Dieses Drecksstück, Wilhelmine hört sie die Treppe heraufstampfen, ohne Pause presst sie ihren Daumen auf den Klingelknopf.
    Als die Tür aufgeht, packt Wilhelmine, ohne zu überlegen,den Silberlöffel und schleudert ihn. Die Russin schreit auf, offenbar mehr Schreck als Schmerz, ihr unverständlicher Fluch
     erreicht Wilhelmine wie ein Wurfgeschoß.
    »Drecksweib! Mach den Stecker wieder rein.«
    »Was? Weiß ich nicht, was du redest.« Sie bückt sich nach dem Löffel, da greift Wilhelmine nach der Suppenschale und wirft
     sie hinterher. Brühe schwappt auf die Bettdecke, die Schale poltert zu Boden, Karotten- und Kohlstücke verschwinden im Muster
     des Perserteppichs.
    Die Russin steht nur da und starrt Wilhelmine an, für einen endlosen Augenblick treffen sich ihre Blicke wie Speerspitzen.
    »Alte Hexe!« Das russische Gesicht wird noch runder, sie gibt der Suppenschale einen Tritt, mit vom Teppich

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