Magnus Jonson 01 - Fluch
zugeben, dass mich das ganz schön erschüttert hat. Nach all den Jahren, den Jahrzehnten, in denen die Familie die Saga erfolgreich geheim gehalten hat.«
Die Ermahnung ihres Pastors ließ Ingileif erröten.
»Ich denke nicht, dass dir ein Urteil darüber zusteht«, sagte Magnus. »Ganz im Gegenteil, du hättest meiner Kollegin schon beim ersten Mal die Wahrheit sagen sollen. Es hätte vielen Menschen viel Zeit erspart.«
»Ásgrím war ein sehr guter Freund von mir«, sagte Hákon ernst. »Ich weiß, was er von mir erwartet hätte.«
»Du hast aber eine Mordermittlung behindert«, sagte Magnus. »So. Hatte Agnar ganz bestimmte Fragen an dich?«
»Ingileif hatte gerade den Brief von Tolkien an ihren Großvater gefunden, in dem von der Entdeckung des Rings die Rede ist. Agnar kam sofort her und stellte mir ungefähr dieselben Fragen wie du jetzt. Ich hatte sehr stark den Eindruck, dass er selbst versuchen wollte, den Ring zu finden. Natürlich konnte ich ihm nicht helfen.«
»Was für einen Eindruck machte er auf dich?«, wollte Magnus wissen.
»Er war aufgeregt, nervös. Aggressiv bei seinen Fragen.«
»Hast du ihm etwas erzählt, was du uns verschwiegen hast?«, fragte Magnus.
»Natürlich nicht.«
Magnus wartete ab, musterte den Pastor. Aber der Mann wollte nicht mehr sagen. »Weißt du, einen Tag nach dem Treffen mit dir verschickte Agnar eine Nachricht, in der er andeutete zu wissen, wo der Ring sei.«
»Nun, das wusste er aber ganz offenbar nicht, als ich mit ihm sprach.«
»Hast du ihm erzählt, wo du ihn damals, an jenem Tag, gesucht hast?«
»Nein. Er wollte es wissen, aber ich sagte, ich könne mich nicht erinnern. Obwohl ich das natürlich noch kann.«
Ingileif zeigte dem Pastor eine Landkarte, die sie bei den Unterlagen ihres Vaters gefunden hatte. »Ist das die Stelle?«
Hákon spähte darauf. »Ja, das ist sie. Und da ist dieser Hof, Álfabrekka. Ich hätte es Agnar eigentlich erzählen können, er hätte nur seine Zeit verschwendet. Ich bin überzeugt davon, dass dort kein Ring ist. Zumindest war vor siebzehn Jahren keiner da, und ich bezweifle, dass er in der Zwischenzeit dorthin gelangt ist.«
»Bist du dir sicher, dass dort keiner war?«, fragte Magnus. »Viel leicht hat Agnar an einem anderen Ort Hinweise auf das Versteck gefunden und etwas entdeckt, was dir entgangen ist.«
»Ich bin mir hundertprozentig sicher«, sagte Hákon. »Glaub mir, Ásgrím und ich haben jeden Zentimeter dieser Höhle abgesucht, und sie war nicht sehr groß.«
»Weiß dein Sohn Genaueres darüber?«, fragte Magnus.
»Tómas? Glaube ich nicht. Wie alt war er damals, dreizehn? Ich habe ihm weder damals noch später von der Saga und dem Ring erzählt. Du vielleicht, Ingileif?«
»Nein«, sagte sie.
»Warum hat er dann am Tag, als Agnar starb, mit ihm gesprochen?«, überlegte Magnus.
Hákon schüttelte den Kopf. »Das weiß ich nicht. Ich wusste nicht, dass sie sich kannten.«
»Ziemlich großer Zufall, findest du nicht?«
Hákon zuckte mit den Achseln. »Kann sein. Ja, vielleicht.« Dann beugte er sich vor, und seine tiefliegenden Augen bohrten sich in die von Magnus. »Mein Sohn ist kein Mörder, junger Mann. Vergiss das nicht!«
»Mein Gott, ist der Kerl gruselig!«, sagte Ingileif, als sie zurück nach Reykjavík fuhren.
»War er immer schon so?«
»Er war schon immer sonderbar. Wir sind nicht oft zur Kirche gegangen, aber wenn wir mal da waren, haben mir seine Predigtenimmer eine Heidenangst gemacht. Es ging nur um Feuer und Schwefel, und der Teufel lauerte hinter jeder Ecke. Vielleicht kannst du dir vorstellen, dass es einem Kind ziemlich große Angst einflößt, so was zu hören, wenn es in der Kirche von Hruni sitzt.«
Sie lachte in sich hinein. »Ich kann mich erinnern, dass ich an einem Montagmorgen nach so einem Gottesdienst dem Mädchen, das in der Klasse neben mir saß, seine Haarspange zurückgab. Die hatte ich mir nämlich ›geliehen‹. Ich hatte solchen Schiss davor, von der Erde verschluckt oder von einem Blitz getroffen zu werden.«
»Das kann ich mir vorstellen.«
»Und, Mr. Detective? Hat er die Wahrheit gesagt?«
»Glaube ich nicht. Wir wissen, dass er Vigdís wegen Agnar angelogen hat. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er bei der Frage nach Tómas gelogen hat. Er muss seinem Sohn von der Saga und dem Ring erzählt haben; warum sonst sollte Tómas mit Agnar sprechen? Es ist gut, dass ich ihn so weit bekommen habe, das zu leugnen. Das war eine unkluge Entscheidung von
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