Magnus Jonson 01 - Fluch
Vorhängen leuchtete blaugraues Mondlicht.
Eine Hand berührte ihn am Arm.
Er drehte sich um und sah die Frau neben ihm im Bett. Ingileif. »Was ist, Magnus?«
»Hab nur geträumt.«
»Was Schlimmes?«
Er verneinte.
»Erzähl’s mir!«
»Nee, schon gut.«
»Magnus, ich will von deinen schlimmen Träumen erfahren.« Ingileif stützte sich auf den Ellenbogen. Ihre Brüste warfen Schatten im schwachen Licht, das durch die Vorhänge hereinfiel. Magnus sah ein leicht besorgtes Lächeln in Ingileifs Gesicht. Sie strich ihm über die Wange.
Und er erzählte ihr alles. Von dem Traum, dem 7-Eleven, von O’Malley und dem Junkie. Von der schmalen Gasse, den Mülleimern, dem fetten Kahlkopf und dem Jugendlichen, der jetzt gestorben war, wie er von Williams erfahren hatte.
Ingileif hörte ihm zu. »Träumst du oft davon?«
»Nein«, sagte Magnus. »Erst seit kurzem. Seit dieser zweiten Schießerei.«
»Aber die wollten dich umbringen, diese beiden, nicht?«
»Ja, klar. Schuldgefühle habe ich deswegen nicht«, sagte Magnus. »Zumindest nicht, solange ich wach bin.« Er schlug mit der Faust auf die Matratze. »Das ist doch völlig unlogisch! Ich weiß nicht, warum ich mich davon so fertigmachen lasse.«
»Hey, du hast einen Menschen getötet«, sagte Ingileif. »Es war richtig, du hattest keine andere Wahl, aber du fühlst dich schlecht deswegen. Wenn das nicht so wäre, wärst du kein Mensch, aber du bist ein Mensch, auch wenn du dich für einen superharten Cop hältst. Ich würde dich nicht mögen, wenn es anders wäre.«
Sie schmiegte sich an seine Brust. Er zog sie eng an sich.
Sie küssten sich.
In ihm regte sich etwas.
Danach schlummerte Ingileif sofort ein. Aber Magnus konnte nicht schlafen. Er lag still auf dem Rücken und starrte an die Decke.
Ingileif hatte natürlich recht, was seine Träume betraf. Sie waren verständlich, er sollte sie akzeptieren. Der Gedanke beruhigte ihn.
Doch dann dachte er an Colby, die sich irgendwo versteckte und Angst um ihr Leben hatte. Sollte er nicht ihretwegen Schuldgefühle haben?
Er schaute Ingileif an, die mit geschlossenen Augen leise durch halb geöffnete Lippen atmete. Selbst im Halbdunkel konnte er die Narbe in ihrer Augenbraue erkennen.
Colby hatte ihm ziemlich deutlich mitgeteilt, dass keine große Hoffnung bestand, die Beziehung zu retten. Eigentlich war ein One-Night-Stand mit einer hübschen Isländerin genau der richtige Weg, um über sie hinwegzukommen. Deutlich besser, als sich besinnungslos zu betrinken und im Knast zu landen. Nur, wenn Magnus Ingileif neben sich betrachtete, fühlte es sich nicht wie ein One-Night-Stand an. Er mochte sie. Er mochte sie wirklich.
Und aus irgendeinem dummen Grund war der Betrug an Colby deshalb schlimmer.
Nachdem sie von Hruni zurückgekommen waren, hatten sie vor dem einzigen Hotel in Fluðir gehalten. Zufällig gab es dort ein sehr gutes Restaurant. Ingileif und Magnus hatten lange und gemütlich gegessen und dabei zugesehen, wie das Hvítá-Tal vor ihnen langsam in der Dunkelheit versank. Entlang dem kleineren Fluss, der durch den Ort floss, waren sie zurück zu Ingileifs Haus gegangen und schließlich in Ingileifs ehemaligem Kinderzimmer gelandet.
Bei der Erinnerung musste Magnus lächeln.
Die Sache war wirklich lachhaft. Noch keine Woche war er in Island, und doch hatte er schnell begriffen, dass die Isländer eine lockerere Einstellung zum Sex hatten als er. Für Ingileif war er nichts anderes als dieser Maler, wie hieß er noch gleich, ihr Alibi. Natürlich mochte sie Magnus, genauso wie sie skyr und Erdbeereis mochte. Oder sogar weniger.
Magnus musste vorsichtig sein. Mit einer Zeugin zu schlafen war in Amerika strengstens tabu, und irgendwie wollte er nicht recht glauben, dass Baldur begeistert wäre, wenn er es herausfände. Konnte Magnus sich denn völlig sicher sein, dass Ingileif unschuldig war?
Natürlich konnte er das.
Doch der Detective in ihm, der Profi, flüsterte etwas anderes.
Beim dritten Versuch war der Pastor von Hruni da.
Er öffnete die Tür, ein beeindruckender Mann mit einem langen buschigen Bart und mächtigen schwarzen Augenbrauen. Mit gerunzelter Stirn sah er Magnus an, doch als er dessen Begleitung erblickte, änderte sich sein Gesichtsausdruck.
»Ingileif? Du liebe Güte, seit der Beerdigung deiner armen Mutter habe ich dich nicht mehr gesehen! Wie geht es dir, mein Kind?« Die Stimme des Pastors hatte einen angenehmen, vollen Bariton.
»Mir geht es sehr gut«, sagte
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