Magnus Jonson 01 - Fluch
ihm.«
»Warum?«
»Weil wir Hákon einer Lüge überführen können, wenn wir Tómas dazu bewegen, zu gestehen, dass er von seinem Vater von den Sagas erfahren hat. Dann wird er Mühe haben, dass seine Geschichte noch Hand und Fuß hat. Was meinst du?«
»Ich glaube, er hat meinen Vater umgebracht. Und er hat den Ring. Könntest du nicht sein Haus durchsuchen?«
»Dazu bräuchten wir einen Durchsuchungsbeschluss.« »Besorgst du dir einen?«
»Vielleicht.« Mit Freuden hätte Magnus das getan. Aber er würde Baldur davon überzeugen müssen, und das würde nicht leicht werden. Dafür müsste er erst Tómas’ Geschichte knacken. Er freute sich darauf, aufs Polizeipräsidium zu gehen und ihn zu befragen.
»Können wir kurz bei dem Hof vorbeifahren, wo Pastor Hákon damals Hilfe holte?«, fragte Ingileif. »Vielleicht kann sich einer an etwas erinnern.«
»Ich würde gern so schnell wie möglich wieder in Reykjavík sein, um Tómas zu befragen.«
»Verstehe ich. Aber es könnte ein wenig Licht auf den Tod meines Vaters werfen.«
Magnus zögerte.
»Bitte, Magnus! Du weißt, wie wichtig das für mich ist.«
»Wie hieß der Hof noch mal? Álfabrekka? Er hat ihn uns auf der Karte gezeigt.«
»Genau. Wir müssten das Þjórsá-Tal hochfahren.«
»Aber das wäre ein Umweg von fünfzig Kilometern, hin und zurück.«
»Mindestens.«
Magnus wusste, dass er Baldur so schnell wie möglich über sein Gespräch mit Hákon unterrichten musste. Aber das wollte er lieber unter vier Augen als am Telefon tun, damit er anschließend selbst zu Tómas gehen konnte.
Er warf Ingileif einen Seitenblick zu. Es stimmte, er wusste, wie wichtig der Tod ihres Vaters für sie war.
»Gut«, seufzte er. »Hol die Karte raus und sag mir, wohin ich fahren soll.«
Als das Flugzeug den Landeanflug auf den Flughafen Keflavík begann, leckte sich Diego über die Lippen. Er war nervös. Nicht wegen des Auftrags, auf den freute er sich. Es lag auch nicht am Fliegen, das hatte er schon oft getan. Aber er war noch nie zuvor in Europa gewesen. Mit Spanien wäre er ja zurechtgekommen, in Italien vielleicht auch, aber Island?
Nach dem bisschen, was er hatte herausfinden können, war es ein wirklich sonderbares Land.
Er rechnete mit Schnee und Eis, Eskimos und Iglus. Auf die Kälte würde er sich einstellen können. Seit seinem fünfzehnten Lebensjahr hatte er in der Stadt Lawrence gelebt, rund dreißig Kilometer nördlich von Boston. Dort wurde es im Winter auch ziemlich kalt.
Die Kälte war ein Riesenschock für Diego gewesen, als er mit sieben Jahren in die Vereinigten Staaten kam. Seine Familie stammte aus der Stadt San Francisco de Macorís in der Dominikanischen Republik. Sie hatten die hundertfünfzig Kilometer breite Mona-Passage nach Puerto Rico im Boot überquert und waren mit gefälschten Ausweisen nach New York gelangt. Mehrere Jahre lebten sie in Washington Heights in Upper Manhattan, wo sein Vater einem Job als Drogenkurier nachging. Er wurde erwischt, wanderte hinter Gitter und starb dort zehn Jahre später. Die Mutter war mit Diego und den beiden Töchtern hoch nach Lawrence zu ihrer Cousine gezogen.
Dort war Diego in die Logistik des Betäubungsmittelgeschäfts eingestiegen, ehe er in den Vollstreckungssektor wechselte, in dem er äußerst erfolgreich tätig war. Er war nicht so grundlos brutalwie manch anderer Auftragskiller von Soto, aber er war gerissen, und das zählte oft mehr. Mit Sicherheit war Diego der beste Mann für die Aufgabe, einen Bostoner Cop inmitten von Eskimos aufzuspüren und auszuschalten.
Das Flugzeug landete, und in null Komma nichts waren sie draußen. Die Einreisekontrolle war kein Problem, der Beamte warf einen kurzen Blick auf Diegos gefälschten amerikanischen Reisepass und stempelte ihn ab. In der Ankunftshalle suchte er ein Schild mit der Aufschrift »Mr. Roberts« und fand es schließlich. Der Mann, der es in der Hand hielt, war untersetzt und hatte kurzgeschnittenes braunes Haar. Er besaß einen leichten russischen Akzent, obgleich er eigentlich aus Litauen stammte, und brachte Diego zum Parkplatz, wo ein Nissan-Geländewagen wartete.
Es war nur sehr wenig Zeit gewesen, Diegos Reise vorzubereiten. Doch Soto hatte von seinen Großhändlern in Erfahrung bringen können, wer die großen Nummern im isländischen Drogenhandel waren, und sich mit ihnen bekannt machen lassen. Es waren Litauer – Litauen war irgendein Land in Russland –, und sie würden ihm helfen.
Er betrachtete die schwarze
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