Magyria 01 - Das Herz des Schattens
Schattenfrau sie führte, war jetzt nur noch ein großer Partysaal. Sich vorzustellen, dass hier Vampire tanzten - lächerlich. Auch das nächste Zimmer, ein elegantes Wohnzimmer ganz in Weiß, war eher der Rahmen für eine reiche Dame mit erlesenem Geschmack, als der Schauplatz brutaler Verbrechen.
»Setz dich«, forderte Atschorek sie freundlich auf. »Ich hole uns etwas zu trinken.« Selbst das klang, sofern es
ohne Hintergedanken ausgesprochen war, alles andere als schrecklich.
Hanna nahm auf dem kühlen, glatten Leder Platz und merkte erst jetzt, wie kalt es hier drinnen war. Das erinnerte sie daran, dass dies eben doch kein normales Haus war, in dem gewöhnliche Menschen lebten. Sie sah sich um. Filigrane schwarze Ornamente zierten die Wände. Fotos, die eigentlich in jeder Wohnung an die Familie oder die Freunde erinnerten, fehlten allerdings. Es gab nicht einmal Porträts von Atschorek selbst, vielleicht in verschiedenen Roben, dabei hätten sie gut hier reingepasst. Aber die Rothaarige hatte es nicht nötig, ihre Jugend einzufangen. Wie alt mochte sie sein, achtzig? Fünfzig? Es machte keinen Unterschied.
»Hanna? Was tust du denn hier?« Wer mit einem kleinen Tablett hereinkam, war nicht Atschorek, sondern Mattim. Mattim, der sie einen Moment entgeistert anstarrte, bevor ein Leuchten über sein Gesicht zog. »Hanna!« Er stellte das Tablett auf dem Tischchen ab und schloss sie in die Arme. »Wieso bist du hier?«
»Das frage ich mich gerade auch. Ich dachte, es wäre eine gute Idee, mal vorbeizukommen.«
Er lachte leise. »Deine Fähigkeit, überall dort aufzutauchen, wo ich bin, sollte mich eigentlich nicht mehr überraschen. Bitte. Ich sollte den Gast bewirten.« Er öffnete die Flasche Mineralwasser und goss ihr ein. »Atschorek hat mich gebeten, herzukommen, sie wollte etwas mit mir besprechen.«
»Na, was das wohl sein mag.« Hanna senkte die Stimme. »Sie ahnt doch nichts, oder?«
»Ich wüsste nicht, wie. An mir habe ich jedenfalls noch keine hellseherischen Fähigkeiten bemerkt.«
Er drehte das zweite Glas in den Händen, ohne zu trinken. Durch das Fenster schienen die Strahlen der Morgensonne und brachen sich in der Scheibe. Es war, als wollte er
mit dem Wasserglas die Sonnenfunken einfangen, um davon zu trinken.
Atschorek streckte den Kopf durch die Tür. »Tut mir leid, ich muss kurz weg. Lauft nicht fort, ja? Nur eine halbe Stunde, dann bin ich wieder da.«
»Ist ihr das Mehl ausgegangen?« Hanna konnte gut auf die Gegenwart der Schattenfrau verzichten, auch wenn sie hergekommen war, um mit ihr zu reden. »Ich wollte deine Schwester noch mal befragen«, erklärte sie auf Mattims fragenden Blick hin. »Dachte, ich finde vielleicht etwas heraus. Aber anscheinend hast du mich hergelockt. Mein Verstand überlegt sich dann immer eine passende Erklärung, warum ich unbedingt irgendwo hingehen sollte.«
Der Prinz blickte hinaus in den Garten, ohne etwas zu erwidern. Die nassen Tropfen an den Zweigen funkelten im Sonnenlicht wie Kristalle.
»Wir könnten das Haus besichtigen, während sie weg ist«, schlug Hanna vor. »Das ist zwar nicht gerade höflich, aber vielleicht finden wir etwas Nützliches.«
»Hanna«, flüsterte er nur.
Sie wusste sofort, was los war. Warum fiel es ihm nur so schwer, es auszusprechen, immer noch?
»Ist es das Licht?«, fragte sie. »Du brauchst wieder Blut? Woran merkst du es?«
»Es tut weh«, sagte Mattim. »In den Augen. Irgendwann fängt es an zu brennen, am ganzen Körper. Ganz langsam nur, am Anfang ist es kaum zu spüren. Dann wird es allmählich stärker. Ich schätze, wenn du nicht gekommen wärst, hätte ich Atschorek fragen müssen, ob sie einen Keller hat.«
»Oder du hättest mich angerufen. Mattim, ich habe gar nicht daran gedacht in den letzten Tagen! Komm. Komm her.« Sie stellte ihr Glas ab und zog ihn näher zu sich heran. Eigentlich hatten sie sich schon viel zu lange nicht mehr geküsst. Mehrere Stunden ohne ihn waren entschieden zu
viel. Als er ihren Hals berührte, schob sie ihn sanft von sich. »Nicht da …« Sie wollte ihm nicht sagen, dass die Wunden dort schmerzten, und zum Glück fragte er auch nicht nach.
»Wo denn?«
»Such dir eine schöne Stelle aus.«
Mattim grinste. Er ließ sich so viel Zeit dabei, dass Hanna schon fürchtete, er würde in ihren Armen in Flammen aufgehen. Mühelos gelang es ihm, auch ihre Haut zum Brennen zu bringen. Seine Lippen entfachten ein Feuer, überall … Als er schließlich zubiss, in ihre
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