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Magyria 01 - Das Herz des Schattens

Titel: Magyria 01 - Das Herz des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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verlie-hiebt!«
    Sie fand es nur mäßig beeindruckend, dass er sich für den Versuch, sie zu ärgern, sogar dazu herabließ, Deutsch zu sprechen. Das hatte er bis jetzt in ihrer Gegenwart vermieden, obwohl auch er eine zweisprachige Schule besuchte.
    »Was ist denn hier los?« Seufzend stellte Réka ihre Schultasche ab, als würde sie sich von einem unglaublichen Gewicht befreien. Sie war so blass, dass Hanna unwillkürlich die Arme ausstreckte, um sie aufzufangen, falls sie stürzen sollte. Réka quittierte diese Geste mit einem verständnislosen Stirnrunzeln. »Was hat er jetzt wieder angestellt?«
    »Schau mal.« Attila öffnete seine Zimmertür, er wollte
es sich nicht entgehen lassen, seine Schwester an dem Spaß teilhaben zu lassen. »Hanna ist verliebt.«
    »Wo hast du das her!«, kreischte Réka auf. Sie schoss auf ihren Bruder los und riss ihm das Blatt aus der Hand, bevor er reagieren konnte. Wütend schubste sie ihn von sich, sodass er hart auf den Rücken fiel. Attila war zu erschrocken, um zu weinen. Seinem Gesicht sah man an, dass er nicht begriff, warum Réka sich so für Hanna einsetzte. »Das ist meins!«, schrie sie. »Untersteh dich, in meinen Sachen zu wühlen!« Sie glättete das Bild vorsichtig, Tränen kullerten ihr aus den Augen. »Du hast es zerknickt! Und die Ecke ist abgerissen! Ich hasse dich!«
    Laut aufschluchzend verzog sie sich, und ihre Tür knallte ins Schloss, dass der Boden bebte.
    Attila wechselte einen verdutzten Blick mit Hanna und presste ein paar Tränen heraus. »Mein Rücken!«
    Hanna half ihm auf, und einen Moment lang kuschelte er sich an sie. Sie strich ihm übers Haar. »Ach, Attila.«
     
    Réka würdigte ihren Bruder keines Blickes. Während sie gemeinsam aßen, grummelte sie vor sich hin, doch schließlich stieß sie hervor: »Dass du an meine Sachen gehst, das verzeih ich dir nie, niemals!«
    »Ich hab gar nichts gemacht. Sie war’s.« Attila, nicht gewillt, die ganze Schuld auf sich zu nehmen, zeigte mit ausgestrecktem Arm auf Hanna.
    »Hör auf!« Réka brüllte so unvermutet los, dass der Kleine fast vom Stuhl fiel, auf dem er sowieso immer nur halb saß. »Gib es wenigstens zu!«
    Hanna empfand die moralische Verpflichtung, Attila in Schutz zu nehmen und ihr eigenes Vergehen zu gestehen. Aber sie brachte es nicht über sich. Wenn sie das tat, hatte sie endgültig bei Réka verspielt, das war klar, und das durfte nicht geschehen. Nicht, wenn sie die nächsten Monate hierbleiben und mit dieser Familie und diesen Kindern leben
wollte. Deshalb sagte sie nur: »Er ist noch ein Kind, Réka. Ich hätte besser aufpassen sollen, dass er nicht in dein Zimmer geht. Tut mir leid.«
    Seit wann konnte sie so gut lügen? In der Tat, sie konnte es nicht. Hanna fühlte, wie eine verräterische Röte ihr Gesicht überzog und bis unter ihre Haarwurzeln kroch. Réka merkte es nicht. Unter dem Tisch trat sie so lange nach Attila, der eifrig zurücktrat, bis Hanna einschreiten musste.
    »Geh in dein Zimmer, Attila, bitte.«
    »Mach ich nicht!«, schrie er.
    »Dann geh ich eben. Das ist ja nicht zum Aushalten.« Réka nahm ihren Teller und das Saftglas und verzog sich.
    Das triumphierende Lächeln auf Attilas Gesicht sprach Bände. Hanna seufzte, doch sie konnte ihm nicht wirklich böse sein, schließlich war sie ihm etwas schuldig.
    »Gehen wir morgen in den Zoo?«
    Der Versuch war so offensichtlich, dennoch nickte der Junge begeistert. »Au ja. Ohne Réka.«
    Zum Glück fragte er sie nicht, warum sie ihn so schmählich verraten hatte.
     
    Später klopfte Hanna an Rékas Zimmertür. Sie wusste noch nicht so recht, was sie sagen wollte. Die Sache war nicht so gelaufen, wie sie gehofft hatte, und ihre Schuldgefühle trieben sie dazu, doch zuzugeben, was sie getan hatte. Sie wusste nur noch nicht, ob sie es über sich bringen würde.
    Réka saß auf ihrem Bett, an die Wand gelehnt. Das Foto lag neben ihr auf dem Kissen. Sie hatte geweint, ihr Gesicht wirkte rot und geschwollen.
    Hanna wäre am liebsten rückwärts hinausmarschiert, aber sie nahm sich zusammen. Mónika hätte hier sein müssen, stattdessen saß sie im Wohnzimmer am Klavier. Die perlenden Klänge irgendeines klassischen Stücks drangen wie sanfter Regen durch die dünnen Zimmerwände.

    Aufseufzend lehnte Réka den Kopf gegen die dezent geblümte Tapete.
    »Er ist dein Freund, nicht wahr?« Hanna hatte sich auf den Schreibtischstuhl gesetzt und schaute von dort auf das Bild. Zerknickt und angerissen war es, und dennoch

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