Magyria 01 - Das Herz des Schattens
Flusswache. Eine Fremde.
»Halt!«, gebot der Wächter am Ende der Brücke. Mattim stand nur wenige Posten entfernt und beobachtete gespannt das Geschehen.
Die Frau parierte gehorsam ihr Pferd durch und saß ab. Sie taumelte, nur mit Mühe richtete sie sich auf.
»Wölfe«, stammelte sie, »alles voller Wölfe! Sie haben unser Dorf umzingelt. Wir brauchen Hilfe, wir …«
Der Posten rührte sich nicht von der Stelle. »Bevor wir dich anhören können, müssen wir sicher sein, dass du kein Schatten bist.«
»Ich bin kein Schatten«, beteuerte die Reiterin. »Wir brauchen Soldaten, oder wir sind verloren. Der König muss uns Soldaten schicken!«
»Erst überprüfen wir dich«, entgegnete der Posten unerbittlich. »Beweise uns, dass dein Körper keine Bissspuren aufweist.«
»Was soll ich denn tun? Mich hier vor allen ausziehen?«
Mattim konnte nicht abschätzen, wie alt sie war, aber ihre müde Stimme, aus der so viel Verzweiflung sprach, rührte ihn. Er trat vor.
»Das muss nicht sein«, sagte er. »Wir sind hier am Fluss. Tauch die Hand in den Fluss, dann sehen wir, ob du ein Mensch oder ein Schatten bist.«
»Prinz Mattim!«, zischte der andere Wächter. »Das kannst du nicht tun! Das übersteigt deine Kompetenz!«
»Es ist das beste Mittel, um die Wahrheit herauszufinden«, sagte Mattim. »Oder etwa nicht? Wenn sie ein Schatten ist, wird sie das Licht nicht ertragen können.« Er trat noch einen Schritt näher. »Sie würde nicht einmal meine Nähe ertragen können.«
»Wenn sie ein Schatten ist, stirbt sie sofort«, gab der andere zu bedenken.
»Und?«, fragte Mattim leichthin. »Dann kann sie wenigstens niemanden mehr beißen.«
»In dem Fall können wir sie aber auch nicht mehr befragen.«
»Als ob wir aus einem Schatten jemals etwas herausbekommen hätten.«
Die Fremde sah von einem zum anderen, danach nickte sie und wankte das Ufer hinunter.
»Sie wird noch hineinfallen«, sagte jemand, »sollten wir nicht …«, aber der Sprecher der Wächter gebot ihm zu schweigen und winkte ein paar Laternenträger näher heran. Sie beobachteten, wie die Frau sich durch Gras und Schilf kämpfte. Schließlich fiel sie nach vorne, und es platschte laut. Mattim achtete nicht auf das, was der Anführer sagte, sondern eilte ihr hinterher und half ihr dabei, sich aufzurichten. Ihre Schuhe steckten im schlammigen Wasser, ihr Kleid war völlig durchnässt. Tränen liefen ihr über die Wangen.
»Es tut mir leid«, begann Mattim, während er ihr wieder hoch zur Brücke half. »Aber es muss sein, verstehst du? Komm. Du wirst die Soldaten für dein Dorf erhalten, das verspreche ich dir.«
»Das war nicht korrekt«, knurrte der Brückenwächter und betrachtete die tropfende Kleidung der Fremden voller Abscheu. »Wir müssten eigentlich …«
»Sie ist kein Schatten«, sagte Mattim. »Beim Licht, was habt ihr nur mit euren dämlichen Untersuchungen! Die Patrouille wird auch nicht untersucht, wenn sie aus dem Wald zurückkehrt.«
»Wenn der ganze Trupp zurückkommt, werden wohl auch nicht alle Schatten sein«, bemerkte der Wächter würdevoll. »Aber jeder, der sich von den anderen trennt, ist verdächtig. Wir sind angehalten, alle Verdächtigen zu untersuchen.«
»Wenn ich der König der Schatten wäre, würde ich dafür sorgen, dass sie alle gebissen wurden, und zwar der ganze Trupp, ausnahmslos«, sagte Mattim wütend. »Denn dann
würdet ihr sie einfach so durchlassen. Es kommt darauf an, die Schatten aus Akink herauszuhalten, kapierst du das nicht? Egal, wie. Der Fluss beschützt uns, nicht irgendwelche Untersuchungen. Und jetzt bringe ich diese Frau zu meinem Vater.«
»Du nicht«, sagte König Farank. »Das ist ein völlig unnötiges Risiko. Du kannst nicht wirklich annehmen, dass ich dich für diese Sache einteile, Mattim.«
Mattim starrte seinen Vater herausfordernd an. Er war zu allem bereit, nur um dem lästigen Brückendienst zu entgehen. Lieber kämpfte er gegen ein ganzes Rudel Wölfe.
»Der Prinz kann sich nicht in der Stadt verstecken, während die anderen kämpfen«, sagte er. »Wer würde mich dann überhaupt noch ernst nehmen?«
Farank schüttelte sorgenvoll den Kopf. Ihm war anzumerken, wie schwer es ihm fiel, seinem Sohn zuzustimmen. »Es geht um deine Sicherheit.«
»Nein«, widersprach Mattim. »Es geht um Magyria. Sie vertrauen auf uns. Diese Frau ist eine ganze Nacht lang geritten, um Hilfe zu holen. Wir haben keine Zeit für lange Reden, wir müssen sofort los. Wahrscheinlich
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