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Magyria 01 - Das Herz des Schattens

Titel: Magyria 01 - Das Herz des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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schien der junge Mann dadurch nur noch schöner zu werden. Sein Gesicht machte aus dem billigen Zettel fast ein Stück Kunst.
    »Ja. Du hast ihn gesehen, als wir an der Donau waren.«
    Hanna zögerte, bevor sie ihre Frage stellte. »Muss das ein Geheimnis bleiben? Ist es wegen deiner Eltern?«
    Als sie selbst vierzehn gewesen waren, hatten einige in ihrer Klasse schon einen Freund gehabt. Sie hatten es nicht geheim gehalten, sondern im Gegenteil dafür gesorgt, dass alle und jeder davon erfuhren; es wäre ihnen unerträglich gewesen, darauf zu verzichten, mit ihren Eroberungen anzugeben. Gerade wenn es ältere Jungen gewesen waren, waren sie nicht müde geworden, von ihnen zu schwärmen. Für Hanna, die zu dem Zeitpunkt immer nur unglücklich verliebt gewesen war, war das eine Quelle fortwährender Qual gewesen. Ob dieselben Mädchen zu Hause wie ein Grab geschwiegen hatten, wusste sie natürlich nicht.
    Réka schluckte. »Nein, sie … Er meint, es wäre besser so.«
    »Aha.« Hannas Meinung über diesen Kerl wurde dadurch nicht besser. Was hatte ein Mann wie er mit einem kleinen Mädchen wie Réka zu tun? Sie war viel zu jung für ihn. Dass ihre Eltern nichts davon wissen sollten, machte ihn erst recht äußerst verdächtig. In Gedanken fluchte Hanna über diesen Mann, doch sie hütete sich, etwas Schlechtes über ihn zu sagen. Das kleine, zarte Pflänzchen Vertrauen, das jetzt und hier zu keimen begann, konnte allzu schnell wieder eingehen.
    »Ich weiß, wie das klingt«, fügte Réka schnell hinzu. »Aber es ist wirklich besser. Ich meine, wozu sollten wir
sie unnötig aufregen? Wenn wir merken, dass da mehr ist, werde ich es ihnen schon sagen. Er wird selbst herkommen und sich vorstellen.«
    Die Sätze klangen wie auswendig gelernt, und Hanna fragte sich, wie oft Réka sie innerlich wiederholt hatte, bis sie selbst daran glauben konnte.
    Das Klavierspiel, das ihr Gespräch die ganze Zeit untermalt hatte, brach ab.
    »Ich muss deiner Mutter beim Abendbrot helfen.« Hanna wäre am liebsten sitzen geblieben. Sie war sich sicher, dass Réka noch sehr viel mehr zu erzählen hatte. Aber nachdem die Filmmusik verklungen war, schien die Stille doppelt so schwer auf ihnen zu lasten.
    »Du wirst es ihr doch nicht sagen?«, flehte das Mädchen, als Hanna schon an der Tür war.
    »Nein«, erwiderte sie, obwohl sie das Gefühl hatte, dass sie genau das tun musste. Darauf bereiteten sie einen nicht vor, wenn man ins Ausland gehen wollte. Auf die Frage, wie man mit solchen Problemen umzugehen hatte.
    »Und wenn Attila von dem Bild erzählt? Kannst du dann vielleicht behaupten, es wäre ein Foto von deinem Freund gewesen?«
    Hanna schnappte nach Luft. Jetzt sollte sie auch noch lügen? »Von dem Freund, den ich nicht habe? Ich weiß nicht, ob ich das kann.« Man merkte ihr sowieso immer an, wenn sie log. Abgesehen davon war es eine Sache, Réka und Attila gegenüber nicht ganz ehrlich zu sein, und eine andere, ihre Gasteltern zu belügen.
    »Oh, bitte, bitte!«
    »Mal sehen, was passiert.« Mehr konnte sie nicht versprechen.

SIEBEN
    AKINK, MAGYRIA
    Mattim hasste die Brücke. Seine Füße hassten sie. Ein scharfer Blick seines Gegenübers machte ihm bewusst, dass er schon wieder hin und her wippte; eine ärgerliche Angewohnheit, gegen die er nichts tun konnte, weil er es gar nicht merkte.
    Der Wald drüben lockte. Wind fuhr durch die Bäume. Es war verboten, den Kopf zu wenden und den Wald zu betrachten, genauso wie es verboten war, die Figuren auf den Brückenpfeilern zu berühren oder zur Burg hochzuschauen oder sich an der Nase zu kratzen. Es war keine Übung in Geduld. Es war Folter.
    Unter ihm rauschte der Fluss. Im Dunkeln ging ein kaum wahrnehmbares Leuchten davon aus, das Mattim nie zuvor bemerkt hatte. Der Donua war getränkt von Licht, als hätte er alles aufgesaugt, was aus der Stadt des Lichts auf ihn fiel. Er reichte völlig aus, um die Schatten fernzuhalten. Sie konnten auch keine Boote benutzen, damit wären sie dem Wasser zu nah gewesen, dem alles verzehrenden Licht. Letztlich war es die Brücke, die Akink gefährdete, und trotz der Argumente seiner Mutter hätte der junge Prinz sie am liebsten niedergerissen. Irgendwie. Was nützten Wachen, die beim Stehen fast einschliefen?
    Ruckartig hob Mattim den Kopf, als ein einsamer Reiter aus dem Wald herauspreschte. Sein graues Pferd war schaumbedeckt. Als er näher herankam, sah man, dass der Ankömmling eine Frau war, müde und zerzaust. Sie gehörte nicht zur

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