Magyria 01 - Das Herz des Schattens
zurück, als Morrit auf sie zutaumelte.
»Mattim!«, rief er. »Mattim!«
Der junge Mann blieb stehen, und seltsamerweise fürchtete er sich nicht. Es war kein Schatten, kein Toter, sondern Morrit, immer noch Morrit, der auf ihn zukroch, während die Flammen über sein Haar züngelten, der die Hände nach ihm ausstreckte. Ihre Blicke trafen sich, Morrits dunkle Augen, Mattims graue. Dann schien der ehemalige Anführer einen Herzschlag lang aus glühendem Staub zu bestehen - und war fort.
Die Wachen zogen den Prinzen zur Seite, aber er schüttelte sie ab. Er merkte nicht, wie Mirita die Hand nach ihm ausstreckte. Nur seinen Vater sah er an, stellte sich ihm in den Weg, in seiner Stimme lagen all die Tränen, die er hier, vor den vielen Zuschauern, nicht weinen konnte.
»Das war Morrit«, sagte er. »Bis zum Schluss war es Morrit. Warum hast du das bloß getan, Vater? Warum?«
»Kein Schatten kommt nach Akink«, sagte der König streng. »Kein Verdächtiger überquert diese Brücke, ohne dass die Wächter ihn prüfen.« Er hob die Hand und versetzte seinem Sohn vor aller Augen eine schallende Ohrfeige. »Man hat mir gesagt, dass du meine Männer daran gehindert hast, ihre Pflicht zu tun. Muss ich es noch einmal sagen? Kein Schatten kommt hierher nach Akink!« Der König schlug noch einmal zu. »Du bist mein einziger Sohn, aber wenn ich wüsste, dass sie dich verwandelt haben, ich würde dich verbrennen, bis du zu Asche zerfällst.«
Mattim wusste, dass er lieber schweigen sollte, konnte es jedoch nicht. Sein Gesicht brannte, doch er konnte die öffentliche Bloßstellung, die Schande nicht einmal fühlen. Er sah nur Morrit vor sich. Morrits Blick. Prinz Mattim, für Akink.
» Er ist zu mir gekommen, um durch mein Licht zu sterben«, sagte er. »Nicht durch das Feuer, sondern durch mich. Es war Morrit. Und er hätte so viel für uns tun können, mehr als irgendjemand sonst. Er hätte zu ihnen gehen und ihnen ihre Geheimnisse entlocken können. Warum musste er sterben?«
»Selbst in ihren letzten Augenblicken wissen die Schatten noch, wen sie vernichten wollen«, sagte König Farank, ohne sich zu seinem Sohn umzudrehen.
»Er war nicht böse.« Wieder und wieder sagte Mattim diesen Satz, während er in seinem Zimmer auf und ab wanderte. Dann blieb er endlich stehen und wartete auf Miritas Zustimmung. »Du hast ihn gesehen, auf dem Platz. Glaubst du, er war böse? Ein anderer?«
»Ich weiß es nicht.« Hilflos zuckte sie mit den Schultern. Sie wusste nicht mehr, ob es eine gute Idee gewesen war, den Prinzen im Palast zu besuchen.
»Du warst da. Also red dich nicht heraus. Was hast du gedacht, als die Pfeile flogen? Ein Glück, dass dieser Schatten endlich erledigt wird? Oder hast du an Morrit gedacht, an den Morrit, den wir kannten?«
»Ich habe geweint«, gab Mirita zu. »Das heißt allerdings gar nichts. Ich habe geweint, weil wir ihn verloren haben.«
»Er hätte uns helfen können, die Schatten zu verstehen.« Wütend stieß Mattim mit dem Fuß gegen eine Teppichkante, bis sie sich aufrollte. »Wir hätten ihn befragen können, was passiert ist. Wie es passiert ist. Was er dabei gefühlt hat.«
»Er war ein Schatten!«, protestierte Mirita ungläubig.
»Und wenn schon! Er war er selbst! Wir haben Morrits Hinrichtung mit angesehen!« Mattim kam mit schnellen Schritten auf sie zu und blickte ihr mitten ins Gesicht, als könnte er sie so dazu zwingen, ihm zuzustimmen. »Goran ist verschwunden in jener Nacht, Goran und noch ein paar andere … Glaubst du, sie wird sich auf uns stürzen, wenn sie uns im Wald trifft? Glaubst du, sie ist eine blutdürstige Bestie - unsere Goran? Wie kann ein Biss jemandes Charakter verändern? Der Biss eines Schattenwolfes kann einen Menschen halb töten, so dass er zu einem Schatten wird. Aber wie könnte er das Herz eines Menschen verändern? Morrit hätte niemals gegen uns gekämpft. Er hätte weiterhin auf unserer Seite gestanden, wenn wir ihn gelassen hätten.«
»Niemand wollte das Risiko eingehen«, wandte Mirita ein. Mattims Gesicht so nah vor sich zu haben, brachte sie zum Schwitzen. Sie konnte die Wärme spüren, die von ihm ausging und in ihr ein Feuer entfachte. Die beiden waren sich so nah, dass Mirita für einen Moment glaubte, er wollte sie küssen.
Aber er küsste sie nicht. Stattdessen richtete er sich auf und nahm seine endlose Wanderung durchs Zimmer wieder auf. Da sie das Gefühl hatte, dass er mit ihr unzufrieden war, versuchte sie, ihre Meinung zu
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