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Magyria 01 - Das Herz des Schattens

Titel: Magyria 01 - Das Herz des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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sollen die Burg niederreißen, wenn sie unserem Prinzen ans Leben wollen. Aber wir werden ihn den Schatten nicht freiwillig überantworten. Niemals. Nicht, solange wir uns stolze Magyrianer nennen dürfen.
    » Nein«, flüsterte Mirita.
    Aber sie kannte Mattim. Wenn er sich erst einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, gab es kein Zurück. Er war keiner Vernunft zugänglich. Wollte sie verhindern, dass er sich selbst den Wölfen zum Fraß vorwarf, dann musste sie den König informieren und dafür sorgen, dass man den Prinzen in Ketten legte.
    Vielleicht hatte Elira genau das gemeint, als sie Mirita beschwor, Mattim zu retten. Dinge zu tun, die so schwer waren, dass nur jemand, der genug liebte, sie tun konnte. Dafür hatte die Königin ihr Mattims Hand versprochen. Genau dafür. Dass sie ihn jetzt verriet.
    Sie hob den Kopf und nahm all ihre Kraft zusammen. »Na gut«, sagte sie. »Ich werde dir helfen. Komm morgen noch einmal her, dann kannst du mir mitteilen, welches Erkennungszeichen du dir überlegt hast. Ich muss jetzt zum Dienst.« Nach den großen Verlusten, die die Patrouille erlitten hatte, war die Schonzeit wegen ihrer Verletzung vorbei. »Du solltest wenigstens einmal darüber schlafen. In gewisser Weise hast du Recht. Und andererseits völlig Unrecht. Vielleicht wird es klarer, wenn du einmal geschlafen hast.«
    »Du meinst, ich bin verwirrt. Das hätte ich mir denken können.«
    Enttäuscht stand Mattim auf. Sobald inmitten all der freundlichen Worte das kleinste bisschen Kritik steckte, zog er sich sofort in sich zurück.
    »Mattim, warte doch, so habe ich das nicht gemeint. Ich habe gesagt, ich bin dabei, hast du das überhört? Aber diese Nacht solltest du dich wirklich noch ausruhen. Du siehst
bereits halb aus wie ein Schatten. Bitte. Ich gehe jetzt nach Hause. Und morgen …« Sie schluckte. »Dann ist morgen also der Tag, an dem du sterben wirst.«
    »Versprochen?«
    »Versprochen.«

VIERZEHN
    AKINK, MAGYRIA
    Natürlich konnte Mattim nicht schlafen. Die Ungeheuerlichkeit seiner Entscheidung verfolgte ihn, trieb ihn ins Bett und wieder hinaus. Er stand am Fenster und starrte in die Dunkelheit hinaus. Alles war wie immer, und dennoch war es ihm, als würde er alles zum ersten Mal sehen. Sein Zimmer. Das Bett mit den gedrechselten Füßen, die Samtvorhänge, das Sofa, mit dessen Troddeln Mirita die ganze Zeit während ihres Besuchs gespielt hatte. Ohne es zu merken. Er starrte auf die goldenen Fäden und ließ sie durch die Finger gleiten.
    Morgen war der Tag, an dem er sterben würde. Ein Schatten zu werden hieß zu sterben. Er war siebzehn Jahre alt. Er war verrückt. Es war Wahnsinn, der pure Wahnsinn.
    Dann erinnerte er sich wieder an die fürchterlichen Schreie in der Höhle. Und an Morrit. Morrit … Wie viele Freunde und Gefährten musste er noch verlieren, an einen Tod, der mit sich selbst nicht zufrieden sein konnte? Es war noch lange nicht vorbei. Bald würden sie hier vor der Brücke stehen. So nah waren sie der Stadt am Donua schon gekommen, der herrlichen Stadt des Lichtkönigs. Sie machten einen Schritt nach dem anderen, ohne Eile. Die Toten haben keine Eile. Sie würden weitermachen, bis kein Flusshüter mehr übrig war.
    Er wusste das. So war es, und deshalb hatte er gar keine Wahl. Wenn es einen anderen Weg gegeben hätte, herauszufinden, wie man sie besiegen konnte, er wäre ihn gegangen. Doch es gab keinen.

    Trotzdem überkam den jungen Prinzen die Angst, so stark, dass er sie kaum ertragen konnte. Ein Würgereiz packte ihn und krümmte seinen Körper. Er klammerte sich an einen Bettpfosten und keuchte. Zum Glück hatte er in den letzten Stunden nichts gegessen.
    Essen. Konnte man überhaupt noch essen, wenn man ein Schatten war? Konnte man noch schmecken? Fühlen? Die Schatten kannten Schmerz, das hatte er mit eigenen Augen gesehen, aber was empfanden sie darüber hinaus? Blutdurst? Mordlust? Kannten sie überhaupt noch ganz normalen Durst und spürten, wie er gestillt wurde, durch klares Quellwasser, durch Milch, vielleicht sogar durch Miritas eklig bitteren Tee?
    Was war es mit der Liebe? Konnte er ein Mädchen küssen, ohne es gleich zu beißen? Beißen. Die Vorstellung war lächerlich, wenn sie nicht zugleich so erschreckend gewesen wäre. Er dachte an Mirita. Er hätte sie küssen sollen, solange er es noch konnte. Jetzt war es zu spät. Er würde nie wissen, wie es war, jemanden als Mensch zu küssen, oder ob es für einen Schatten anders war.
    Aber vielleicht … Auf seinem

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