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Magyria 01 - Das Herz des Schattens

Titel: Magyria 01 - Das Herz des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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nicht Recht? Und nun wirst du sie endlich wiedersehen. Wir gehen heute Nacht rüber; Kunun ist der Meinung, dass du mitkommen solltest.«
    Der Junge musterte sie mit kühlen steingrauen Augen. »Ich werde euch nicht helfen, gegen meinen Vater zu kämpfen.«
    Atschorek seufzte. »Brüderchen, er ist auch mein Vater. Nur für den Fall, dass du das vergessen haben solltest.«
    »Ich bin nicht auf eurer Seite.«
    »Das hast du schon tausend Mal beteuert. Im Ernst, Mattim, du langweilst mich allmählich. Wir haben es begriffen. Du bist der edle Prinz des Lichts, der mit der guten Seele.«
    Sie lachte über sein zorniges Gesicht.
    »Ich werde das nie wieder tun.«
    »Natürlich wirst du. So wie wir alle. Wer möchte schon
zu Staub zerfallen? Du hättest die Gelegenheit zu einem Märtyrertod ergreifen sollen, als du noch die Chance dazu hattest. Jetzt wirkt das nicht mehr so recht glaubwürdig.«
    Nie würde Mattim jenen Augenblick vergessen, in dem die Sonne über die Häuser kroch und ihr mildes Winterlicht in den Hof schüttete. Der Tag öffnete sich ihm wie eine weiße Seerose. Dieser Moment, in dem er das Leben in sich spürte, eine wilde, berauschende Lebendigkeit. Hanna im Arm zu halten und zu leben - er, der sein Leben verspielt hatte -, das war unglaublich. Es war ein Gefühl, das ihn von den Zehen bis zu den Haarspitzen erfüllt hatte, und schon jetzt sehnte er sich nach mehr. Es war ihr Leben, von dem er gekostet hatte, ein Leben, bis zum Bersten angefüllt mit Sehnsucht, die für diesen Moment auch die seine war, mit Wärme, die alle Kälte und Furcht vertrieb, einer unstillbaren Neugier, die ihn entzückte, einer gespannten Erwartung an alles Zukünftige, die seine Hoffnungen anstachelte. Er trug dieses Mädchen in sich. Hanna. Auf eine Weise, die er nicht für möglich gehalten hatte, fühlte er sich ihr verbunden, als wäre sie der vermisste Teil seiner Seele.
    Nachdem er es getan hatte, war der Fahrstuhl ein paar Meter nach unten geruckt. Irgendwann ging die Tür auf, und Kunun stand vor ihm.
    »Sieh an. Du lebst. Wer hätte das gedacht?« Mit einem abfälligen Lächeln betrachtete er das Mädchen, das mit leerem Blick zu ihm aufsah. »Ganze Arbeit geleistet, wie? Du wirst sicher auf den Geschmack kommen.«
    Kunun bückte sich nach Hanna und zog sie hoch.
    Mattim bemühte sich, seine Eifersucht nicht zu zeigen. »Ich bringe sie nach Hause«, sagte er.
    »Wo man dich fragen wird, wer du bist? Du setzt sie in der Stadt aus, ganz einfach. Genieß den Sonnenschein.«
    Mattim konnte sich nicht länger zurückhalten. Er holte aus und rammte Kunun seine Faust in den Magen. Der ältere der Brüder verzog nicht einmal das Gesicht. Er stieß
den Angreifer zurück, gegen die Wand. Der raue Putz kratzte an Mattims Wange, als Kunun sein Gesicht dagegendrückte. Das Mädchen stand daneben und sah unbeteiligt zu, und der Schmerz über das, was er getan hatte, schüttelte ihn mehr als Kununs Hand.
    »Hör auf, dich zu wehren«, befahl der Ältere. »Jeder Kratzer auf deiner Haut bleibt. Du lebst nicht mehr, deine Zellen erneuern sich nicht. Das ist wichtig, hörst du? Zeig mir deine Hand.«
    Er griff nach Mattims Hand, zog den bunten Schal herunter und besah sich die ramponierten Fingerknöchel. »Es blutet immer nur kurz«, erklärte er. »Der Schmerz lässt bald nach. Aber du kannst Schmerzen empfinden wie ein Mensch. Alles, was deinem Leib geschieht, trägst du dein ganzes Schattendasein lang mit dir. Bis wir irgendwann alle wieder in Akink sind. Allein das Licht kann die Wunden heilen, die die Dunkelheit aufreißt … Du musst vorsichtig sein. Du kannst dich nicht aufführen, als wärst du unverletzlich, denn das bist du nicht. Unsterblichkeit bedeutet nicht, dass alles heilt. Es bedeutet, dass alles so bleibt, wie es ist. Hast du das begriffen?«
    »Ich hasse dich«, ächzte Mattim. Er versuchte nach Kunun zu spucken, verfehlte ihn jedoch.
    »Du armer, kleiner, böser Vampir.« Er ließ Mattim los und trat einen Schritt zurück; mit einem süffisanten Lächeln schüttelte er den Kopf über seinen ungezogenen Bruder. »Gerätst ganz nach mir, wer hätte das gedacht.«
    »Ich bin nicht wie du!«, protestierte Mattim verzweifelt.
    »Jetzt hör mir mal gut zu«, verlangte Kunun und packte ihn hart am Kragen. »Du bist wie wir. Es hat dir keinen Spaß gemacht? Du wurdest dazu gezwungen? Das ist mir egal. Es ist auch ihr egal.« Er wies mit dem Daumen auf Hanna, die mit leerem Blick aus dem Fenster auf den Hof starrte. »Du

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