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Magyria 02 - Die Seele des Schattens

Titel: Magyria 02 - Die Seele des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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Aber hier bin ich. Und du bist den Wächtern in die Hände gefallen; wir beide wissen, was das bedeutet.
    Alles tat ihr weh, als sie wackelig ausstieg und sich gegen das Eisentor lehnte, aber das Lächeln in ihrem Gesicht ließ sich nicht auslöschen. Sie sah dem Taxi noch nach, bis es um die Straßenecke bog, dann wandte sie sich um und schloss mit bebenden Fingern auf. Ihre Schlüssel waren tatsächlich immer noch da, in ihrer nach bitterem Rauch stinkenden, zerrissenen Kleidung.
    »Hanna!« Attila lief ihr entgegen, die Schultasche schon auf dem Rücken. »Mama, Hanna ist gekommen!«
    Hinter ihm erschien Mónika und musterte das Au-pair-Mädchen mit kühlem Blick. »Auch wieder da?«
    »Mama bringt mich heute zur Schule«, verkündete Attila froh. »Holst du mich ab?«
    Sie wollte den Mund öffnen, um ihm zu antworten, aber die Gastmutter schnitt ihr das Wort ab.
    »Ich komme heute zu spät zur Arbeit. Da du es nicht für nötig gehalten hast, uns mitzuteilen, wo du steckst.«
    Attila hüpfte zur Garage. Seine Mutter folgte ihm, eine Aura düsterer Missbilligung um sich her.
    »Tag, Hanna.«
    Réka tauchte aus dem Inneren des Hauses auf, bleich, mit dunklen Ringen unter den Augen.
    »Und du?«, fragte Hanna. »Warum bist du nicht in der Schule?«
    »Ich bin krank«, erklärte Réka schroff.
    Das nahm man ihr ohne Weiteres ab. Sie sah schlimm aus, so schlimm wie nie.
    »Ich soll einen Kommissar Bartók anrufen, wenn du da bist. Du stinkst. Was hast du bloß gemacht?«
    »Ich geh erst mal duschen«, sagte Hanna.
    Unter dem harten Wasserstrahl fiel die Anspannung allmählich von ihr ab. Sie wollte lachen, doch sie weinte, während ihr das Wasser übers Gesicht lief und sich im Ausguss zu einem kleinen Strudel sammelte, bevor es sich in den Abgrund stürzte. Es gab keinen Grund dazu, hier war sie, lebendig, und alles war gut. Attila war nichts geschehen. Mattim hatte sie heil aus Akink herausgeholt. Kunun war tot. Aber der Schrecken steckte ihr immer noch in den Knochen. Sie wusch sich die Haare, wusch den Rauch heraus. Was haben wir nur getan? Die halbe Stadt niedergebrannt? Sie wollten uns verbrennen, aber es war Akink, das gebrannt hat …
    Sie wollte an Mattim denken, an Mattim, der sie in den Arm genommen und ihr »alles wird gut« ins Ohr geflüstert hatte. Ein junger Mattim, voller Hoffnung und Kraft. Vor dem, was dazwischen geschehen war, zwischen dem Moment, als er zu ihr in die Zelle gekommen war, und ihrer Rückkehr ins Labyrinth, zuckte sie instinktiv zurück. Doch eins der Bilder, die wie in einer Galerie ihrer Erinnerung darauf warteten, dass sie den Lichtstrahl darauf richtete, drängte sich ihr so stark auf, dass sie es nicht abwehren konnte. Kunun. Eine tiefe, dunkle Schramme über der Wange, sie sah es so deutlich vor sich, als bräuchte sie nur die Hand auszustrecken, um das Gesicht des Schattenprinzen zu berühren.
    Die stinkenden Klamotten packte sie in einen Müllsack, es lohnte sich nicht mehr, sie zu waschen. Hanna wollte alles abstreifen, was sie an die Zeit in Akink erinnerte. Das Boot. Der Wolf. Das blonde Mädchen, das ihr tragen half … Die Königin stand vor dem Gitter und erzählte eine letzte Geschichte über die Ausgestoßenen. Nein, denk nicht daran. Denk an nichts dort unten.
    Zu gut wusste sie, dass dort der Schrecken lauerte, im Verlies, dass es besser war, nichts davon hierher nach Budapest mitzunehmen. Lass es vergessen sein …
    Wie seltsam, dass so viele bittere und verstörende Erinnerungen in ihre Freude gewebt waren, wie schwarze Fäden im Muster. Auch wenn dadurch die leuchtenden Farben des Glücks noch intensiver hervortraten, weigerte sie sich, diese Dunkelheiten genauer zu betrachten.
    Die kleinen Wunden an ihrem Hals taten weh, wenn man sie berührte. Es waren nicht ihre einzigen Verletzungen. Sie war voller Schrammen und blauer Flecke, ihr Knöchel war dick und geschwollen. Die Bissspuren taten viel mehr weh als sonst, schienen viel tiefer zu sein.
    Kunun war tot. Vergebens wartete sie darauf, Bedauern zu empfinden. Nur die Unruhe wurde wieder stärker, ein feines Kribbeln, das über ihren ganzen Körper lief.
    Als sie aus dem Badezimmer kam und Réka auf sie zustürzte – hatte sie die ganze Zeit vor der Tür gelauert? –, fiel ihr ein, dass das Mädchen nichts von den Ereignissen der vergangenen Nacht wissen konnte. Ebenso wenig wie von Kununs Schicksal. Und dass sie ihr diese Tatsache möglichst schonend beibringen musste.
    »Einen schönen Ausflug haben wir

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