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Magyria 02 - Die Seele des Schattens

Titel: Magyria 02 - Die Seele des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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gemacht, wie?«
    Es kam Hanna vor, als hätte die Fünfzehnjährige sich in jemand anders verwandelt. Dies war kein Teenager mehr, sondern ein Mensch, der seine Dunkelheit vor sich hertrug wie einen Schatten. »Einen netten, kleinen Ausflug, wir fünf? Kunun und ich, du und dein Freund und Attila? Papa und Mama haben mir die Hölle heißgemacht, weil wir angeblich vergessen haben, es ihnen mitzuteilen. Sie haben schon geglaubt, Attila wäre entführt worden.«
    Hanna fuhr sich mit den Fingern durch ihr nasses Haar und beschloss, dass ihr ein Kaffee guttun würde. Und dem Mädchen eventuell auch.
    »Ich hab nichts gesagt.« Rékas Stimme war wütend und trotzig und ein wenig hysterisch, sie konnte nicht aufhören zu reden. »Ich bin die halbe Nacht zu Fuß durch die Stadt gelaufen, in nassen Sachen, und dann sind auch noch alle auf mich sauer. Ich komme nach Hause, und du bist weg, und Attila ist weg, und alle regen sich auf, als wäre das meine Schuld. Hausarrest hab ich gekriegt. Ich hab noch nie in meinem ganzen Leben Hausarrest gekriegt. Zur Schule sollte ich trotzdem. Aber ich geh nicht. Ich geh überhaupt nirgendwohin.«
    »Es war gut, dass du nichts gesagt hast.« Hanna schnupperte an ihrem Haar. Es kam ihr vor, als würde es immer noch nach Rauch riechen. Die Erinnerung an das brennende Akink ließ sich nicht entfernen. Was hatte Mattim getan, um sie zu retten? Wollte sie das wirklich wissen? Trotzdem freute sie sich jetzt schon auf den Nachmittag. Wie sollte sie es bloß bis dahin aushalten? Wie hatte sie es überhaupt die letzte Zeit ausgehalten ohne ihn?
    »Was grinst du so blöde?«, giftete Réka. »Was wird hier eigentlich gespielt, he?«
    Hanna setzte sich an den Küchentisch, stellte fest, dass Mónika nicht abgeräumt hatte, und schob die benutzten Teller und Tassen zur Seite. »Ich weiß es nicht«, sagte sie. »Ich war nicht da. Ich habe keine Ahnung, was hier in Budapest alles passiert ist, während ich … fort war. Ich bin so müde, dass ich fast umfalle. Trinkst du eine Tasse Kaffee mit?«
    Sie versuchte den Zeitpunkt der Wahrheit hinauszuzögern. Mit langsamen Bewegungen füllte sie Kaffeepulver ein und schaltete die Maschine ein. Wie eine Schlafwandlerin. Dem Tod so knapp entronnen … Sie hatte ihr Versprechen Kunun gegenüber gehalten. Jetzt war sie frei. Frei für immer. Doch selbst das Glück in ihren Adern und die Müdigkeit und die nervöse Unruhe in ihr konnten ihren Blick nicht so trüben, dass sie nicht bemerkt hätte, wie sehr Réka litt.
    »Wie geht es dir?«, fragte sie vorsichtig. Die Nachricht von Kununs Tod würde dem Mädchen sicher den Rest geben.
    Wie viel fehlte ihr, wie viele Stunden hatte man ihr geraubt und sie schwach und verwirrt zurückgelassen?
    Ihre Augen waren so schwarz wie die Flüssigkeit in ihrer Tasse. »Meine Schultasche ist weg. Ich könnte gar nicht zur Schule, selbst wenn ich wollte. Ich hab sie in Atschoreks Auto gelassen.«
    »Wir können sie später holen.«
    »Attilas Ranzen ist auch verschwunden. Der ist in Kununs Haus.«
    »Ich werde mich darum kümmern, versprochen.«
    »Du weißt, wo Kunun wohnt?« Für einen winzigen Augenblick kehrte etwas von der alten Réka zurück, von diesem Teenager, der für einen schwarzhaarigen Mittzwanziger schwärmte und sich nichts sagen lassen wollte. Dann fiel sie wieder zurück in die Nacht.
    »Sei nicht traurig.« Was sollte sie auch sagen: Du bist schon dort gewesen und hast es leider vergessen? »Es ist ja nicht so, dass er es dir gesagt hätte und mir nicht. Ich weiß es von Mattim. Kunun wollte nur nicht, dass du irgendwann vor seiner Wohnung auftauchst und es Schwierigkeiten mit deinen Eltern gibt.«
    »Mach dir keine Mühe«, sagte Réka steif. »Du lügst schlecht.«
    »Tut mir leid.«
    Sie tranken beide ihren Kaffee. Réka stürzte ihn hinunter, als versuchte sie, sich damit zu betrinken.
    »Kunun ist ein Vampir«, sagte sie.
    Jetzt war es heraus. Hanna fühlte, wie die großen dunklen Augen des Mädchens sie beobachteten, auf ihre Reaktion warteten.
    »Du weißt es also?«
    »Ja«, sagte Réka. »Ich weiß alles. Er ist ein Vampir. Er hat mich nie geliebt. Nicht mehr als eine – eine …« Sie suchte nach einem Vergleich. »Als eine Tasse Kaffee.« Sie lachte ein uraltes Lachen, genauso schwarz und bitter wie das Getränk. Bisher hatten ihre Eltern versucht, sie von Koffein fernzuhalten. Nun schien sie auf einmal wild entschlossen, erwachsen zu sein. Es war so rührend, dass Hanna am liebsten geweint

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