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Magyria 02 - Die Seele des Schattens

Titel: Magyria 02 - Die Seele des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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würde man etwas geradezu Unanständiges tun. Denkt nicht darüber nach; ihr habt nicht viel Zeit für diesen Angriff. Wenn ihr zögert, seid ihr schon verloren. Bei dieser Attacke müsst ihr die Hälfte der Brückenwächter ausschalten, oder ihr steht einer Übermacht gegenüber. Das Wasser ist sehr nahe. Falls sie einen von euch über das Geländer werfen … ihr wisst, was das bedeutet. Um sie zu verwirren, könnt ihr euch etwas zunutze machen, das euch unglaublich vorkommen wird. Es ist das Geheimnis der Schatten. Nun, da ihr dazugehört, dürft ihr daran teilhaben.«
    Damit hatte er ihre volle Aufmerksamkeit.
    »Die Schattenwölfe, die mit euch auf der Brücke kämpfen werden, öffnen Türen für euch. An jeder Stelle, an der ein Schattenwolf einen Wächter beißt, könnt ihr verschwinden. Das klappt nur, wenn ihr bewusst einen Schritt durch die unsichtbare Pforte geht; es kann nicht zufällig passieren. Erschreckt nicht, wenn ihr auf einmal auf einer anderen Brücke steht, seltsame Geräusche hört und statt des Waldes die Lichter einer Stadt erblickt. Nutzt diese Möglichkeit, sobald ihr in Bedrängnis geratet. Merkt euch vorher schon mögliche Türen, durch die ihr verschwinden könnt. Ein einziger Schritt bringt euch wieder zurück.«
    Wie viele Jahre hat Kunun dieses Geheimnis den anderen Schatten vorenthalten? Er liebt Geheimnisse und die Überlegenheit, die sie ihm verleihen. Und genau das ist bis heute Akinks Rettung gewesen.
    »Ihr könnt der Gefahr an diesen Stellen ausweichen und wieder in den Kampf zurückkehren. Ein Schritt durch die Pforte genügt. Wenn ihr möchtet, können wir den Übergang eine Weile üben. Ein klein wenig Zeit haben wir noch, bis die Wölfe Akink umkreist haben. Solta, wo hat es dich getroffen? Dort drüben?«
    Er führte den Hauptmann zu der betreffenden Stelle hin und trat mit ihm durch die Pforte. Sofort standen sie auf einem Bürgersteig auf dem Baross tér. Passanten wichen ihnen aus, vor ihnen ließ ein Obdachloser seine riesige weiße Plastiktüte fallen und gaffte sie an.
    »Und wieder zurück. So einfach.«
    Solta keuchte. »Was war das?«
    »Ihr wart verschwunden!«, riefen einige.
    »Schatten tun das, wie ihr wisst«, gab Mattim zurück. »Ihr hattet nur keine Ahnung, wohin. Ich will, dass jeder von euch es ausprobiert. Nicht an irgendeiner beliebigen Stelle, sonst stehen einige von euch gleich mitten auf der Straße und werden überfahren. Hier. Macht es hier.«
    Er führte sie zu der Pforte, die er zum Herkommen benutzt hatte, durch die man auf das Baustellengelände gelangte. »Wir wollen in Budapest keine Panik auslösen. Kommt, jeder von euch. Spürt, wie es sich anfühlt. Diesen einen Schritt mehr. Seht ihr? Ich kann einfach hier entlanggehen, ohne zu verschwinden. Aber wenn ich anders gehe, in dem Willen, Magyria zu verlassen – seht ihr?«
    Nicht jeder war begierig auf diese Erfahrung, aber niemand wagte es, sich Mattims Befehlen zu widersetzen. Er übte den Schritt durch die Pforte mit ihnen, ohne ihnen näher zu erklären, wohin er sie brachte. Was es bedeutete, auf einmal woanders zu sein, umgeben von fremden Lichtern und fremdem Lärm. Er hatte keine Zeit, um ihnen lange Vorträge zu halten. Das Wichtigste war jetzt, dass er sich auf seinen Trupp verlassen konnte.
    Als das Heulen der Wölfe die Nacht einleitete, ein an- und abschwellendes Rufen wie Hunderte gleichzeitig einsetzender Sirenen, stockte ihm der Atem.
    »Gleich geht es los. Seid ihr bereit?«
    Sie nickten. Ihr ganzes Leben lang hatten sie sich vor diesem Nachtgesang gefürchtet, doch nun erfüllte er sie mit Vorfreude auf den Sieg.
    »Meine Kinder werden sich die Ohren zuhalten und weinen«, sagte Solta leise an seiner Seite.
    »Bald wird niemand mehr weinen«, versprach Mattim. »Heute beenden wir diesen Wahnsinn. Ein für alle Mal. Hanna? Ruf Atschorek an. Es ist so weit. Sie soll mit den Schatten durch die Pforten kommen.«
    Mit zitternden Fingern drückte sie die Tasten.
    Mattim sah förmlich vor sich, wie die Schatten aus ihren Verstecken krochen, wie sie aus unsichtbaren Türen traten und sich mitten zwischen die Lebenden stürzten. Wie Atschorek aus dem Rauch auftauchte und die Hand nach einem Stadtwächter ausstreckte, der ihr zitternd und ungläubig entgegenblickte, und ihre kühlen schlanken Finger an seinen Hals legte.
    Wer bist du?, würde er rufen. Was willst du?
    Das Tor, würde sie antworten. Das Stadttor, was sonst?
    Während die Wölfe heulten, rings um die Stadt, würden die

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