Magyria 02 - Die Seele des Schattens
streicheln. »Du bist ihnen schon sehr nah … Das zwingt mich dazu, mich zu beeilen. – Wo sind die Wölfe?«
»Du glaubst, ich weiß, wo sie sind?«
»Genau das glaube ich«, bestätigte Kunun. »Du gehörst schon fast zu ihnen. Ich erkenne die Anzeichen. Du solltest dich so viel wie möglich in Magyria aufhalten, damit du hier bist, wenn die Verwandlung dich überkommt. Das ist kein Scherz, Mattim, ich meine es bitterernst. Und jetzt lass uns keine Zeit verlieren. Wo sind sie?«
»Wir sind auf dem richtigen Weg.« Woher wusste er das? Auch als sie das Rudel wenig später fanden, hätte er nicht erklären können, woher dieses Gefühl kam, am Ziel zu sein. Erst jetzt war er zu Hause, hier bei ihnen. Bei Bela, dem mächtigen schwarzen Wolf, der ihnen wie ein König entgegentrat und sie begrüßte. Ihn wollte Kunun in den Käfig sperren? Ein geradezu lächerlicher Gedanke.
Während der Schattenprinz mit dem rauchschwarzen Wolf sprach, lehnte Mattim einige Schritte weiter an einem Baum. Er ließ den Blick über die anderen Wölfe schweifen, denn es erfüllte ihn mit einer unerklärlichen Eifersucht, seinen ungleichen Brüdern zuzusehen. Nur dieses Gefühl lenkte ihn von der Grübelei über die neue Pforte ab.
»Wir gehen«, sagte Kunun schließlich zu Bela, und der dunkle Wolf trottete folgsam neben ihnen her, als sie zurück zur Höhle marschierten.
»Was hast du ihm gesagt?«, fragte Mattim. »Die Wahrheit? Das, was du mir nicht erzählen willst?«
»Im Gegensatz zu dir weiß Bela, wie es ist, immer gejagt zu werden«, sagte Kunun. »Und er weiß, was geschehen muss, damit das aufhört. Er weiß, dass wir siegen müssen.« Leiser fügte er hinzu: »Außerdem hat er dich vor Augen, Mattim. Denn auch du wirst bald sein wie er, und man wird dich durch die Wälder hetzen. Er tut es für dich.«
»Nein!« Mattim wandte sich Bela zu und ging auf die Knie. »Nein, Bela. Nicht für mich. Wenn du irgendetwas für mich tun willst, dann lauf. Tu ihm keinen Gefallen, tu nicht, was er sagt, das ist …«
Eine Hand krallte sich in seinen Kragen und zog ihn wieder hoch.
»Ach, Mattim«, seufzte Kunun. »Kannst du einmal im Leben damit aufhören, edel und uneigennützig zu sein?« Er schüttelte ihn wie einen ungezogenen Welpen.
»Und jetzt tut ihr beide, was ich euch sage. Mattim, du hältst Bela fest. Ich bezweifle, dass sein Gehorsam ausreicht.«
Mattim grub beide Hände in das lange, dichte Fell. »Was wird passieren, wenn wir ihn auf die andere Seite bringen?«
Der Wolf knurrte.
»Das wirst du dann schon sehen«, sagte Kunun heiser. »Halte ihn, so fest du kannst.«
Sie schleiften Bela in die Höhle. Der Wolf hätte sie beide zerfetzen können, aber er tat nur sein Missfallen mit einem kläglichen Winseln kund.
Der Käfig, den sie gemeinsam aus dem Keller hergeschleppt hatten, stand bereit.
»Du musst die Tür öffnen, und ich schiebe ihn hinein. Na los, mach schon. Bela, geh in den Käfig.«
Der schwarze Wolf zögerte. Seine nachtschwarzen Augen huschten von einem zum anderen, seine Flanken bebten.
»Geh hinein«, befahl Kunun und stieß den großen Wolf in den Käfig.
Mattim und Bela zuckten gleichzeitig zusammen, als die schwere Klappe einrastete. Das dunkle Tier drehte sich um und sah sie beide durch die Gitterstäbe anklagend an.
»Ich verstehe immer noch nicht, was das überhaupt soll«, meinte Mattim. »Was willst du damit beweisen, dass du einen Wolf nach Budapest bringst?«
»Zerbrich dir nicht den Kopf, du wirst schon sehen.« In Kununs Stimme lag ein Fauchen, auch sein Gesicht hatte in diesem Moment etwas unzweifelhaft Wölfisches.
»Es fühlt sich nicht richtig an«, sagte Mattim leise.
»Was? Seinen eigenen Bruder in einen Käfig zu sperren? Man überlebt es, das weißt du selbst. Jetzt pack mit an.«
Dem Jungen war alles andere als wohl dabei, einen Käfig mit einem Schattenwolf darin, dem sich die Haare sträubten, durch eine unsichtbare Tür zu schieben.
Nur ein einziger Schritt war es von der Höhle in den Keller. Nur ein Schritt von Magyria in das ungarische Haus am Baross tér. Doch schon nach einem halben schien das grauschwarze Wesen zwischen ihnen sich zu verwandeln. Es warf sich gegen die Gitterstäbe, die Zähne gebleckt. Eben noch war es ihr Bruder in Wolfsgestalt gewesen, jetzt war es eine heulende, fauchende Bestie, die versuchte, aus ihrem Käfig heraus gegen sie zu kämpfen.
Mattim sprang zurück. »Was ist mit ihm los?«
»Das passiert, wenn man einen Schattenwolf in
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