Magyria 02 - Die Seele des Schattens
ihn nicht in den Keller.«
»Was ist, wenn er einen von uns beißt?«, fragte Mattim. »Er kann uns nicht töten, oder?«
»Nein«, antwortete Atschorek. »Aber ich schätze, du möchtest dein unsterbliches Leben nicht zerfleischt und in Fetzen weiterführen?«
Kunun wandte sich an Mattim. Seine Augen waren kalt und hart. »Das ist deine Schuld, Mattim. Hast du vielleicht eine Idee, wie wir unseren Bruder nach Magyria zurückschaffen können, ohne dass noch mehr Blut fließt?«
»Meine Schuld?« Mattim schnappte nach Luft.
»Du hattest dort unten im Keller tausend Gelegenheiten, um einzugreifen«, sagte Kunun. »Du hast uns nicht geholfen, diesen Kerl zu bändigen. Warum hast du ihn nicht gebissen, während wir ihn festgehalten haben? Dann hätten wir vielleicht seinen Arm zu Bela durchs Gitter stecken können, ohne die Klappe zu bewegen. Du hättest den Käfig auch öffnen können, während wir den Mann direkt davor festgehalten haben. Dann wäre es uns vielleicht gelungen, Bela nach einem Biss zurück in den Käfig zu drängen. Aber nein. Du hast es vorgezogen, gar nichts zu tun und uns unsere schmutzige Arbeit allein machen zu lassen. Wie hast du dich dabei gefühlt, Mattim? Gut? Der edle Prinz des Lichts, der den bösen Nachtgestalten bei ihrem Verbrechen zusieht?«
Mattim schüttelte den Kopf. »Es war dein Plan. Ihr beide wolltet das hier tun. Warum hat Atschorek ihren Freund nicht vorher schon gebissen? Dann hätte er sich gar nicht so gewehrt. Gebt nicht mir die Schuld, dass es schiefgegangen ist.«
»Ich wollte es vermeiden, ihn vorher zu beißen«, sagte Atschorek leise. »Wenn ich einem Menschen gerade ein Stück von seinem Leben geraubt habe, kann der Schattenwolf es dann in ein Schattenleben verwandeln? Da bin ich mir nicht sicher. Aber als er gekämpft hat, hatten wir keine Wahl. Kunun hat recht. Du hättest ihn beißen müssen, Mattim. Beim Licht, kannst du nicht einfach etwas tun, ohne ständig Befehle abzuwarten? Wir kämpfen auf derselben Seite, also fall uns nicht ständig in den Rücken!«
»Er kämpft nicht auf unserer Seite«, sagte Kunun grimmig. »Frag ihn selbst, er besteht darauf, gegen uns zu sein. Trotzdem tut es ihm vielleicht leid um unseren Bruder Wolf hier im Hof. Wie können wir Bela zurück nach Magyria schaffen? Denkt darüber nach. Ich werde mich so lange um unseren Freund im Fahrstuhl kümmern.« Er ließ sie stehen.
Mattim versuchte, sich ganz auf die Aufgabe zu konzentrieren und nicht an den Toten zu denken.
»Er ist ein Wolf?«, fragte er. »Ein richtiger Wolf, ohne menschlichen Verstand? Wie schlau ist er?«
»Ich weiß nicht.« Atschorek seufzte. »Mit Runia war es auch so. Sie ist vollkommen durchgedreht, hat auf nichts mehr reagiert. Als wäre sie wirklich nur noch ein Tier. Ob da noch etwas von ihr war, kann ich nicht sagen.«
»Dafür, dass ihr seit hundert Jahren Schatten seid, wisst ihr recht wenig«, höhnte Mattim.
Atschorek funkelte ihn wütend an.
»Erinnere mich nicht daran«, sagte sie. »Es war einer der schwärzesten Tage meines Lebens. Runia entkam in den Wald, und Kunun musste sie erschießen. Wir konnten nicht zulassen, dass ein tollwütiger Schattenwolf durch die Wälder streift, der Menschen in Vampire verwandeln kann. Sie hätte sie ja nicht einfach nur gebissen, sondern zerfleischt. Sieh mich nicht so an. Was hättest du denn getan? In Kauf genommen, dass Leute mit zerfetzten Kehlen und aufgerissenen Körpern weder lebendig noch tot durchs Land rennen? Mit der Konsequenz, dass man anfängt, uns alle zu jagen?«
»Wie konnte sie in den Wald entkommen?«, fragte Mattim, denn in der Nähe des Kellers gab es weit und breit keinen Wald – nicht auf dieser Seite des Übergangs.
»Es war nicht diese Pforte«, sagte Atschorek und seufzte. »Wir waren draußen auf dem Land.«
»Wie viele Pforten habt ihr?«, fragte er und versuchte, es beiläufig klingen zu lassen, als wüsste er längst über alles Bescheid. »Sag mir, wie viele es sind.«
Atschorek seufzte. »Frag mich nicht, ich habe keine Ahnung.«
»Aber in deinem Haus ist keine?«
»Was glaubst du denn, warum wir den Wolf da hinbringen wollen?«
In diesem Moment, genau jetzt, begriff er es, und der Schrecken legte sich wie eine eisige Hand um sein Herz. Mattim schnappte nach Luft; es war dasselbe Gefühl, wie im Fluss zu versinken und zu spüren, wie das schwarze Wasser über ihm zusammenschlug.
»Die Schattenwölfe«, murmelte er. »Sie öffnen die Pforten? Es ist gar nicht Kunun. Es
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