Magyria 02 - Die Seele des Schattens
diese Welt holt«, sagte Kunun und betrachtete den tobenden Wolf nachdenklich. »Das letzte Mal hatte ich keinen Käfig zur Verfügung.«
»Du hast das wirklich schon einmal gemacht?« Mattim fiel es schwer, den Blick von dem wütenden Tier zu lösen und Kunun anzusehen.
»Er verliert den Verstand«, sagte sein älterer Bruder nachdenklich. »Ich muss wissen, ob er auch die Fähigkeit verliert, einen Menschen in einen Schatten zu verwandeln.«
»Was? Du hast was vor?« Langsam begriff Mattim. »Du hast ihn hergebracht, damit er jemanden beißt? Das ist nicht dein Ernst!«
»Oh doch«, sagte Kunun leise. Er betrachtete das tobende Raubtier nachdenklich. »In Magyria kann ich mit meinem Biss einen Menschen in einen Wolf verwandeln, in Budapest nicht. Diese seltsame Welt sträubt sich gegen Wölfe. Vielleicht ist ein Schattenwolf hier nichts als ein gewöhnliches Tier. Falls nicht, falls er es immer noch kann, einen Menschen zu einem Schatten zu machen … dann ist Akink unser.«
In Mattims Kopf drehte sich alles. »Was?«
Kunun grinste, sein Lächeln ähnelte dem wütenden Zähnefletschen des Wolfs. »Wie das wohl gehen könnte, das fragst du dich. Wie könnte man Akink erobern mit Hilfe eines tollwütigen Wolfs? Mal schauen, wie lange du brauchst, bis du es begriffen hast.«
Mattim konnte nicht denken. Er sah nur Bela, der sich endlich beruhigt hatte. Seine schwarzen, glänzenden Augen fixierten sie voller Hass. Ein Wesen, das sie nicht mehr kannte. Das nichts mehr davon wusste, wer sie waren.
Kununs dunkle Augen bannten Mattim mit dem gleichen brennenden Blick wie die des Wolfs. »Und du wirst mir dabei helfen.« So hatte der Schattenprinz zu dem Wolf gesprochen, genau so.
»Gegen den König? Gegen die Stadt des Lichts?«, rief Mattim verzweifelt aus.
»Gegen Akink?« Kunun lächelte verächtlich. »Nicht gegen, sondern für. Wir gehen nach Hause, Mattim. Wenn wir uns den Weg erkämpfen müssen, dann werden wir das tun. Ich kämpfe seit mehr als hundert Jahren gegen einen Vater, der mich nicht über die Brücke in mein eigenes Haus gehen lässt.«
»Ich werde nicht gegen Akink kämpfen«, sagte Mattim.
»Oh doch, das wirst du«, beharrte Kunun. »Denn es gibt sonst keinen Ort für jemanden wie dich. Genau aus diesem Grund stehst du jetzt auf unserer Seite, ob du willst oder nicht.«
»Ich bin der Prinz des Lichts.«
Kunun streichelte ihm übers Haar, als wäre auch er ein Tier.
»Nein«, sagte er. »Du bist ein Schatten. Du bist ein Wolf, auch wenn du es noch nicht weißt. Gibt es irgendetwas, was ich getan habe, das du nicht auch schon getan hättest?«
»Nein, ich …« Seine Stimme erstarb.
Kunun lächelte triumphierend. »Jetzt hilf mir endlich, diesen verdammten Käfig zum Aufzug zu schieben.«
Mattim sagte nichts mehr.
Sie hatten den Käfig kaum durch den halben Keller gezerrt – wieder hatte der Wolf darin wütend angefangen zu toben –, als der Fahrstuhl sich mit einem leisen Scharren öffnete.
»Hier ist es. Wir sind da.« Es war Atschorek mit einem jungen Mann, den Mattim schon einmal gesehen hatte. Beim letzten Mal hatte er sorglos auf dem Ledersofa geschlummert.
»Bist du sicher, dass …«
Verwirrt blickte der Fremde in die Runde. Seine Augen weiteten sich, als er den knurrenden Wolf bemerkte.
»Verdammt, Atschorek, was soll das?«, fragte Kunun.
Sie war ein wenig blass, aber sie ließ die Hand ihres Begleiters nicht los. »Ich wollte Zoltan nur unseren Weinkeller zeigen.« Sie zog den Mann aus dem Fahrstuhl.
Kunun schüttelte den Kopf, in seinen Augen brannte der Zorn auf.
»In deinem Haus«, sagte er. »So war es abgesprochen. Du solltest warten, verdammt, bei dir zu Hause!«
»Ja, verdammt!«, rief Atschorek aus. »Und wenn es nicht klappt? Wenn Bela ihn verletzt oder Schlimmeres? Ich will keinen Ärger in meinem Haus haben!«
»Es hat überhaupt keinen Sinn, wenn es auf dieser Seite geschieht«, sagte Kunun mit mühsam unterdrückter Wut. »Wir müssen mit ihnen beiden über den Fluss.«
»Äh, was?«, fragte Zoltan. Er strich sich unsicher über das schwarze Haar und zupfte an seinem pfiffigen Schnauzbärtchen. »Wo habt ihr den Wolf her?«
»Wenn es funktioniert«, sagte Atschorek, die sich ebenfalls nur mit Mühe beherrschte, »dann bin ich die Letzte, die dir Steine in den Weg legt. Aber zuerst versuchen wir es hier. Oben auf dem Hügel würden die Nachbarn die Polizei rufen, wenn er heult. Nicht auszudenken, was wäre, wenn er entkommt.«
»Er wird nicht
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