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Magyria 02 - Die Seele des Schattens

Titel: Magyria 02 - Die Seele des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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befürchtet hatte, antwortete: »Ich habe dort ein Boot liegen. Damit kann ich meine Ladung hinunterrutschen lassen, ohne ständig hoch- und runterklettern zu müssen.«
    »Geschickt.«
    Vielleicht würde sie das Opfer sein. Dieses nette junge Mädchen, das sich einer Fremden zuliebe abgerackert hatte. Vielleicht würde Wilder hochspringen, ihr mitten ins Gesicht.
    Hanna schluckte. »Den Rest schaffe ich schon allein. Vielen Dank für deine Hilfe.«
    »Wo ist denn dein Boot?« Das blonde Mädchen machte keinerlei Anstalten wegzugehen.
    »Dort drüben. Aber ich komme jetzt wirklich alleine klar.«
    »Nein, zeig doch. Jetzt bin ich so weit mitgekommen, da kann ich auch bis zum Ende mitgehen. Ist es hier?« Sie hielt auf den Anlegeplatz zu.
    Die Brücke war nicht weit. Vorhin hatte Hanna sie gar nicht bemerkt, so sehr war sie auf die Stadt fixiert gewesen. Jetzt hatte sie sie genau im Blick. Wie die Kettenbrücke in Budapest ruhte auch diese auf dicken Säulen im Fluss. Aber sie war lange nicht so breit und hoch. Keine steinernen Löwen bewachten den Zugang. Kleine Lampen schmückten das geschwungene Geländer, um das die Dunkelheit waberte.
    Hanna riss den Blick von der Brücke los und schaute nach unten auf die Boote. Sie waren sich alle so ähnlich, dass sie ihr eigenes nur nach einigem Suchen wiederfand. Der Wolf war nicht zu sehen, undeutlich machte sie ihre Jacke auf dem Boden aus.
    Die Fremde ließ das Brett krachend aufs Pflaster fallen.
    »Jetzt schaffe ich es wirklich alleine«, sagte Hanna. Sie zögerte, denn die Vorstellung ließ sich kaum verscheuchen, wie Wilder dieses Mädchen im Sprung nach unten riss. Aber die junge Akinkerin war sowieso verloren. Jetzt oder später. Sie alle. Es spielte keine Rolle.
    Eine Traumstadt gegen einen lebendigen Jungen.
    Die Blonde lächelte nun nicht mehr, sondern steckte zwei Finger in den Mund und stieß einen schrillen Pfiff aus.
    »Flusswache«, sagte sie. »Wer du auch bist, nimm die Hände hoch.«

ZWÖLF
    Akink, Magyria
    Einen Moment – nur einen Herzschlag lang – erstarrte Hanna.
    Attila.
    Wilder.
    Die Mission ist gescheitert.
    Attila. Eine Traumstadt gegen einen lebendigen Jungen.
    Aus den Augenwinkeln sah sie dunkel gekleidete Gestalten heraneilen. Hanna holte aus und schlug der Wächterin mit aller Kraft die Faust in den Magen. Dann, ohne auf die nahenden Gegner zu achten, schob sie das Brett über die Kante, zum Boot hin.
    »Wilder!«, rief sie dabei. »Komm! Schnell!«
    Das Brett hatte den Steg kaum berührt, als der Wolf emporschnellte. Er sprang auf die Holzbohle, die unter seinem Gewicht ächzte, und war schon auf der Mauer, als die Wächter ihre Schwerter schwangen. Ein Pfeil sirrte durch die Luft, doch Wilder tauchte darunter hindurch, sprang über die am Boden liegende Wächterin und verschwand wie ein dunkler Schatten in den Gassen der Stadt.
    Hanna, die immer noch dahockte und das Brett hielt, starrte ihm nach und bemerkte erst jetzt, dass zehn brennende Pfeile auf sie gerichtet waren. Hinter den Bogenschützen standen die Schwertkämpfer. Das blonde Mädchen rappelte sich wütend auf und schrie so verzweifelt, dass Hanna ein kalter Schauer über den Rücken rann.
    »Nein! Oh nein, nein!«
    Schon hatte einer der Wächter ein Horn an die Lippen gesetzt. Der Ruf tönte durch die Dämmerung, laut und alarmierend, und von allen Seiten antworteten andere Hörner mit gleichem Klang. Ein Schrei lief wie eine Flutwelle durch die Stadt.
    »Wolf! Schatten! Wolf! Schatten!«
    Hanna ließ das Brett los, das auf die Boote polterte, und richtete sich sehr, sehr langsam mit erhobenen Händen auf.
    Eine Traumstadt gegen einen lebendigen Jungen.
    » Schatten«, murmelte jemand, die Stimme so voller Abscheu, dass Hanna glaubte, nun würden sie es tun. Sie töten. In einer Stadt jenseits der Wirklichkeit, in der man wirklich sterben konnte. Ihr Herz begann wild zu pochen, aber merkwürdigerweise hatte nur ihr Körper Angst. In ihr selbst war eine nahezu unheimliche Ruhe.
    Sie hatte Wilder in die Stadt gebracht. So wie sie heute Morgen Attila zur Schule gefahren hatte, in einer Welt, in der schon nichts mehr in Ordnung gewesen war.
    Ein Mann mit einem Schwert trat ein paar Schritte vor. »Tut ihr nichts!« Man hörte, dass es ihm nicht leicht fiel, das zu befehlen. »Ob Schatten oder nicht, der König wird sie verhören wollen.«
    »Der König? Das können wir nicht zulassen!«, protestierte das blonde Mädchen. »Selbst mit fünfzig Bogenschützen könnten wir ihn nicht

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