Magyria 02 - Die Seele des Schattens
fest. »Ich werde dich hier rausholen«, sagte er. »Ganz egal, was es kostet.« Wieder sprach er zu seiner Mutter, schnell, damit niemand seine Worte aufhalten konnte. »Es gibt eine Pforte in Akink, durch die die Schatten hier einfallen werden. Ein Übergang … Dort, in dem Keller, wo es gebrannt hat, einige Meter vor dem Fuß der Treppe. Lasst das Feuer nicht ausgehen. Lasst es dort brennen, und sie werden nicht kommen können.«
Die Königin nickte langsam. Dann wandte sie sich um, ohne ein weiteres Wort zu sagen, und eilte fort.
»Was hast du nur getan, Mattim«, schluchzte Hanna.
»Kunun wird sich nicht an einem Kind rächen, glaub mir. Und auch nicht an dir. Nur an mir, Hanna. Er ist kein wilder, blutrünstiger Mörder. Er wird wütend sein, natürlich. Aber wir gehen fort. Wir werden einfach das Land verlassen. Du nimmst mich mit nach Deutschland … Irgendeinen Ort werden wir finden, an dem wir vor ihm sicher sind.«
Hanna saß auf der Bank und weinte. Er setzte sich wieder neben sie und legte den Arm um sie. »Es wird alles gut«, sagte er. »Du weißt, dass ich das tun musste. Ich musste Akink retten. Und dich.« Es machte ihn glücklich, dass er gleichzeitig jene beiden gerettet hatte, die er am meisten liebte: die Stadt und sein Mädchen.
»Ja«, sagte sie. »Ich weiß.«
Er fühlte ihre Wärme neben sich. Das Leben. Ihr schlagendes Herz, ängstlich stolpernd, flügelschlagend wie ein gefangener Schmetterling. Aber immer noch hatte sie mehr Angst um Attila als um sich.
»Es wird alles gut«, versprach er. »Gleich kommen sie und lassen uns frei. Versprochen.«
»Wie gehen wir denn zurück, wenn die Pforte geschlossen ist?«
»Durch den Qualm hättest du es sowieso nicht geschafft«, meinte er. »Ich nehme an, sie werden uns über die Brücke nach drüben schicken. Kannst du dir vorstellen, wie es sein wird? Hand in Hand werden wir über die Brücke gehen. Hinter uns die Stadt, die nicht aufhört zu leuchten.«
»Das Schlimmste weißt du noch gar nicht«, sagte Hanna. »Wilder ist tot. Es tut mir so leid, Mattim.«
»Mirita hat es mir schon gesagt.« Er schluckte. »Dabei hatte sie geschworen, die Wölfe zu verschonen. Ich hatte sie so eindringlich darum gebeten …«
Hanna schlang die Arme um ihn. »Es tut mir ja so leid. Ich habe nur an Attila gedacht …« Ein Junge für eine Traumstadt. Ein Kind für einen Bruder. »Aber was hätte ich denn tun sollen? Ich dachte, das verzeihst du mir nie …«
Er küsste sie auf ihr dunkles Haar. »Ich verzeihe dir«, sagte er leise.
»Ich wusste, wie gefährlich es für Wilder war. Trotzdem konnte ich nicht anders. Und deine Stadt …« Sie weinte. Er hielt sie im Arm und wiegte sie wie ein kleines Kind.
»Akink wird gerettet werden«, versprach er. »Es wird sein, als hättest du nichts getan. Ein Feuer, ein paar zerstörte Häuser … Peron wird sich an sein Schicksal als Schatten gewöhnen. Dies war keine große Schlacht, nur ein kleines Gefecht. Ein paar Opfer auf beiden Seiten. Das müssen wir aushalten. Wenn nur Akink dem Licht bleibt.«
Wenn nur Akink dem Licht bleibt …
Mirita wandte sich ab und floh den Gang hinunter. Sie konnte es nicht ertragen, noch mehr zu hören. Jedes Mal, wenn Mattim ihren Namen ausgesprochen hatte, war sie zusammengezuckt. Wenn er sie eine Verräterin nannte. Dabei war er der Verräter. War jedes Wort, das er mit der anderen wechselte, Verrat. Sein Arm um ihre Schultern. Kleine, zärtliche Küsse auf ihre Wange.
Wenn nur Akink dem Licht bleibt …
Sie wich zurück, stieß gegen einen Wächter, blickte in sein mitfühlendes Gesicht – wussten es denn alle? Alle? – und rannte.
Sie stürmte die Treppe hinauf.
Der Soldat am oberen Absatz, der ihr die Tür öffnete, fragte vorsichtig: »Hast du ihn gesehen?« Er flüsterte, als könnte jedes laute Wort schmerzen. Denn es war Mattim! Mattim, den sie dort unten festhielten. Mattim, der dort hinter Gittern auf seinen Tod wartete.
Sie versuchte zu denken: Er ist schon tot, stattdessen konnte sie ihn nur vor sich sehen, wie er sein Mädchen umarmt hatte, dieses hübsche, dunkelhaarige Mädchen, das sich an ihn schmiegte.
»Nein«, flüsterte Mirita zurück, und ihre Stimme kam ihr rau und wund vor.
Wusste nicht die ganze Stadt, dass man Mattim aus ihrem Haus geholt hatte? Aus ihrem Zimmer? Glaubte nicht ganz Akink, dass sie die Geliebte eines Schattens war?
Sie zwang die Tränen mit Gewalt zurück. Später kannst du weinen. Jetzt nicht. Später, wenn er brennt,
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