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Magyria 02 - Die Seele des Schattens

Titel: Magyria 02 - Die Seele des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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hastig abgeschossener Pfeil sirrte durch den Raum und blieb in dem Arm stecken, den er um Hanna gelegt hatte.
    »Passt doch auf!«, rief er. »Wollt ihr sie umbringen?«
    Er küsste ihr die Tränen von den Wangen.
    »Mattim! Ich wollte nicht … ich wollte nicht …«
    »Ich weiß«, flüsterte er. Aus den Augenwinkeln sah er die Wachen starren.
    »Er hatte Attila! Ich …«
    »Attila ist wieder zu Hause«, sagte er in ihr Haar. »Ich habe ihn zurückgebracht.« Er küsste sie sehr sanft. »So viele Sorgen … Ach, Hanna. Um die Stadt. Um Attila. Sorgst du dich denn immer nur um andere?« Wie hätte er sagen können: Ich habe den Galgen schon gesehen, dort auf dem Platz?
    »Was werden sie mit dir tun?«, fragte sie bang. »Du hättest nicht herkommen dürfen!«
    »Ich bin aber hergekommen«, gab er zurück.
    Sie zitterte in seinen Armen, deshalb zog er sie wieder hinunter auf die Pritsche, setzte sich neben sie und hüllte sie in die Decke. Sie lehnte sich an ihn und schloss die Augen.
    »Du darfst jetzt nicht schlafen«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Wir gehen gemeinsam durch die Wand.«
    »Ich kann nicht. Siehst du?« Als sie ihre Beine bewegte, übertönte ein Klirren das Rascheln des Strohs. Erschrocken blickte er nach unten, aber sie musste erst ihr Hosenbein etwas höher ziehen, damit er es erkennen konnte: eine eiserne Fußfessel. Daran hing eine Kette, die mit einem Haken in der Wand verbunden war. Hanna konnte höchstens bis in die Mitte ihrer Zelle gehen, weiter nicht.
    »Beim Licht«, murmelte er.
    »Verstehst du jetzt, warum du nicht herkommen solltest?«
    Mattim wandte sich an die Wachen.
    »Ich will mit meinem Vater sprechen!«
    Sie schwiegen. Als hätten sie ihn nicht gehört.
    »Ich will mit meinem Vater sprechen«, wiederholte er.
    Eine Wächterin erwiderte seinen Blick. In ihrem Gesicht lag nichts als Abscheu, als sie zischte: »Schatten!«
    Der Prinz senkte die Lider und verbarg seine Wut. Auch seine Ungeduld schluckte er hinunter. Sie würden schon kommen, um ihn zu befragen. Sonst wäre er längst tot. Mirita hatte gesagt, was sie wusste; natürlich reichte es nicht. Es war nicht genug, um Akink zu retten, wenn man nur davor warnte, dass jederzeit, von irgendwoher, ein Schatten kommen konnte. So wie er. Sie hatten mehrere Hundert Wachen benötigt, um ihn in Schach zu halten – was würden sie tun, wenn unzählige Vampire aus allen Winkeln strömten?
    Die Akinker wussten genauso gut wie er, dass die Zeit knapp wurde.
    Hanna seufzte leise an seiner Seite.
    »Du wirst leben«, versprach er und legte so viel Zuversicht wie nur möglich in seine Stimme. »Wir kommen beide hier raus.«
    Die Wächter hielten sich, wenn es denn überhaupt ging, noch straffer. Daran erkannte Mattim, dass es so weit war. Er blieb bei Hanna sitzen, aber er hob den Kopf, als eine Gestalt ans Gitter trat. Es war nicht der König.
    »So sehe ich dich also wieder«, sagte seine Mutter. Ohne Vorwurf in der Stimme. Er hörte nur ihre grenzenlose Traurigkeit.
    Sie trug ein dunkelgraues Gewand, flussdunkel, schimmernd wie das Licht Akinks, das sich auf den Wellen widerspiegelt. Von ihr ging kein Schein aus, trotzdem kam sie ihm vor wie eine warme Quelle, aus der der Morgen strömt. Er konnte es aushalten, ohne zu vergehen, aber ihre Gegenwart erfüllte ihn mit einem Schmerz, der sich anfühlte wie unerträglicher Hunger. Ihm wurde bewusst, dass es nicht ihr blendendes Licht gewesen war, das es ihm unmöglich gemacht hatte, sich der Burg weiter zu nähern. Elira trug den Glanz dieses Lichtes auf sich, lieblich wie ein Garten im Frühling.
    »Warum trauerst du um mich?«, fragte er. »Ich bin nach wie vor dein Sohn. Akink kann immer noch dem Licht gehören. Ich will nur Hanna, deshalb bin ich hier.« Er musste seine Worte sorgfältig wählen; Hannas pulsierendes, herzschlagendes Leben hing davon ab.
    Die Königin schenkte dem Mädchen an seiner Seite erstmals einen Blick.
    »Das ist die Frau, die du dir gewählt hast? Eine, die einen Wolf in unsere Stadt gebracht hat? Junge, versuch es erst gar nicht. Du bist nicht der, der du einst warst. Du bist nicht mehr mein Sohn. Du bist ein Fremder mit dem Gesicht meines geliebten Kindes. Der König hielt es für unklug, aber ich wollte dieses Gesicht noch ein letztes Mal sehen.«
    Dass sie von Farank sprach, als wäre er nicht mehr Mattims Vater! Der junge Prinz wollte gar nicht daran denken, wie sehr er ihn enttäuscht hatte.
    »Das Dunkel ist über uns gefallen, und irgendwann wird der

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