Magyria 02 - Die Seele des Schattens
letzte Funke verlöschen. So große Hoffnung hatten wir in dich gesetzt! Und dann kommst du wieder und tust, als seist du immer noch auf unserer Seite, hilfst uns gegen die anderen Schatten, rufst das Licht – und lässt uns an einen Sieg glauben, den es nie gegeben hat. Deinetwegen hat mein Gemahl es gewagt, selbst in die Wälder zu reiten. Deinetwegen hat er sich in unermessliche Gefahr begeben. Wenn deine Pläne erfolgreich gewesen wären, wäre es längst dunkel über Magyria. Wie schwarz muss ein Herz sein, um Liebe vorzuspiegeln und Vernichtung zu säen?«
»Mutter! Nicht weinen!«
Er trat ans Gitter. Die Wachen zischten, aber er beachtete sie nicht weiter.
»Ich will Akink retten, so, wie ich es immer wollte! Ich kann es! Nicht dauerhaft, das weiß ich. Aber es würde euch Zeit geben. Ich kann euch sagen, woher die Schatten kommen werden.«
Das Gesicht der Königin verhärtete sich. »Dann tu es.«
»Ihr lasst Hanna frei«, beharrte er. Am liebsten hätte er sein Wissen einfach so preisgegeben. Um endlich zu erleben, wie der alte, liebevolle Blick in ihre Augen zurückkehrte. Um seine Mutter sagen zu hören: Du bist es doch, so kenne ich dich.
Aber hier war Hanna, und es widerstrebte ihm, das einzige Pfand, das er besaß, um ihr Leben zu erkaufen, ohne jede Sicherheit aus der Hand zu geben.
Mirita hatte er überzeugen können – fast. Vor ihm stand nun die Frau, die ihn geboren und großgezogen hatte. Musste sie nicht noch viel mehr daran glauben, dass er es ehrlich meinte? Sie kannte ihn doch um einiges besser!
»Darüber wird nicht verhandelt.« Elira schüttelte den Kopf. »Es ist unerträglich, dass du hier bist. Ein – ein Schatten. Hier in Akink! In unserer Burg! Wir wissen, wie die Schatten sind. Listenreich wie Wölfe, tückisch, ihr einziges Bestreben ist es, uns zu vernichten. Ich soll dir abnehmen, dass es dir um dieses Mädchen geht? Es geht immer nur um Akink. Immer nur darum, den Schrecken in diese Stadt zu tragen und der Angst neue Nahrung zu geben. Kommen nicht deshalb die Wölfe ans Ufer und heulen, bis uns das Blut in den Adern gefriert? Wir verhandeln nicht mit dem Feind. Der alte Mattim hätte das gewusst. Wer bist du, dass du tust, als seist du er? Der alte Mattim hätte alles für Akink gegeben. Er hätte uns alles gesagt, was dieser Stadt dient, und zwar sofort.«
»Das stimmt nicht«, widersprach er. »Denn ihr habt mir schon damals nicht richtig zugehört. Ihr wolltet nichts wissen von meinem Verdacht, was die Höhlen betraf. Wenn ich euch wirklich immer alles hätte sagen können, wäre ich dann in jener Nacht durch den Fluss geschwommen?«
Elira seufzte. »Dann bist du einer von ihnen gewesen, bevor du es selbst wusstest. Bevor du ihnen leibhaftig begegnet bist, hast du schon das Lied der Wölfe gesungen. Du stellst hier keine Bedingungen. Sag uns, was du weißt, Schatten. Dann werden wir entscheiden, was uns deine Mitteilung wert ist.«
Es war so schwer, zu vertrauen. Mirita hatte zweifellos geglaubt, das Beste für Akink zu tun, als sie ihn verriet.
Er schaute zu Hanna hinüber, die ihn mit großen Augen anstarrte. »Kunun wird dich dafür umbringen!«
»Wir gehen fort«, versprach er. »So weit fort, dass er uns niemals finden kann. Ich glaube nicht, dass er uns folgen wird. Kunun hat Budapest nicht verlassen. Er ist dort geblieben, in all den Jahren. Selbst wenn wir dafür sorgen, dass man diese Pforte schließt, wird er nicht aufgeben. Aber dann ist es nicht mehr unser Kampf. Wir gehen fort.«
»Das würdest du tun?«, fragte sie. »Diesen Kampf aufgeben?«
»Vielleicht ist es genau das, was ich tun muss«, überlegte Mattim. »Diese Pforte schließen und Akink für dieses eine Mal retten. Vielleicht war mir das von Anfang an bestimmt. Es war mein Schicksal, zu den Schatten zu gehen, um herauszufinden, was sie planen und woher ihre Kraft kommt. Das weiß ich jetzt und bin immer noch ich, immer noch Mattim, der für Akink kämpft und nicht dagegen.«
Er wandte sich wieder dem Gitter zu. Hanna sprang auf und versuchte ihn fortzuziehen.
»Nein! Nein, tu das nicht!« Sie spürte den zornigen Blick der Königin auf sich, doch sie konnte nicht verhindern, dass ihre ganze Angst durchbrach. »Das wird Kunun dir nie verzeihen, nie! Wir können vielleicht fortgehen und uns verstecken – aber was ist mit den Szigethys? Was ist mit Attila und Réka, mit Mónika und Ferenc? Wenn er seine Wut an ihnen auslässt? Sag ihr nichts, Mattim, bitte!«
Mattim hielt Hannas Hände
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